: Scolas Familienfeier
■ V O R L A U F
(Mi., 22.11., ARD, 16.55 Uhr) Die Geschichte spielt zwischen zwei Familienfotos. Das eine wird aufgenommen im Jahr 1906, bei der Taufe des kleinen Carlo, das andere bei dessen achtzigstem Geburtstag: Carlo (Vittorio Gassmann), mittlerweile ein betagter Literaturprofessor, ist ein einsamer Mann. Seine Frau (Stefania Sandrelli) ist tot, geliebt hat er zeitlebens sowieso deren Schwester (Fanny Ardant), die jedoch als Pianistin im fernen Paris weilt und die traute Familie höchstens zur Stippvisite aufsucht. Zwischendurch gibt es die üblichen Familienkrisen, nervige Kleinkinder und keifende Tanten, Klatsch und Tratsch bei Kaffee und Kuchen, ein bißchen Krieg und Faschismus kommt auch noch vor.
Schauplatz von Ettore Scolas La Famiglia (1987) ist, ausschließlich, eine gutbürgerliche Wohnung in Rom. Eine Chronik dieses Jahrhunderts in vier Zimmern mit Flur; wenn die Weltgeschichte überhaupt in die eigenen vier Wände vordringt, dann jedenfalls äußerst gedämpft. Vielleicht liegt es am intellektuellen Milieu, daß es in Scolas Famiglia aller Verwandtschaft zum Trotz nicht so laut und hektisch zugeht wie sonst in italienischen Familien und daß Veränderungen sich hauptsächlich im technischen Fortschritt (Telefon, Radio, Fernseher) und im Wechsel der Schauspieler bemerkbar machen: vom Kinderdarsteller zum Filmstar. Und nicht selten sehen sie sich kein bißchen ähnlich.
In Lutz Ehrlichs Filmkritik (taz vom 3.9.87) hieß es: „La Famiglia ist ein weiterer Schritt Scolas in Richtung Kolossalschinken, angetüncht mit viel Harmonie. Geteilt durch vier und zu Hause angeguckt, kann er durchaus unterhaltend sein (...) Scolas Trick: Der Zuschauer soll sich, unter Zuhilfenahme dieser Familie, seine eigene Geschichte zusammendenken. So wurde ich darin bestätigt, daß ich in meiner Familie immer nur eines wollte - nämlich weg.“
taz
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