: Klare Absage-betr.: "Dem Denken von vorgestern verhaftet", taz vom 13.11.89
betr.: „Dem Denken von vorgestern verhaftet“,
taz vom 13.11.89
(...) Angesichts all der gescheiterten „gesamtdeutschen“ Revolutionen im 19. und 20. Jahrhundert ist die Qualität der derzeitigen, friedlichen Revolution der BürgerInnen in der DDR besonders hervorzuheben und zu würdigen.
Nicht wir „in diesem unserem BRD-Lande“ und auch nicht das jahrzehntelange Geschrei nationalistischer, deutschvölkischer und rechtslastiger Kreise, die skandierten „die Mauer muß weg“, haben die Öffnung und die rasanten demokratischen Entwicklungen bewirkt, es war einzig und allein der von dem Kanzler Kohl stets geschmähte „Druck der Straße“.
Zum ersten Mal in unserer wahrlich nicht ruhmreichen Geschichte haben Machthaber nicht nach der alten Bismarck -Regel „gegen Demokraten helfen nur Soldaten“ vorgehen können, weil immer wieder Hunderttausende auf die Straße gingen. Nur dadurch wurden sie gezwungen, demokratische Verhältnisse einzuleiten. Diese DDR-Staatsmacht - die Verlierer - sind noch mittendrin, „ihre Festungen“ zu räumen; welch ein Unterschied zu uns „hier hüben“, wo sie jahrelang „ihre Festungen“ Wackersdorf und Brokdorf brutal verteidigten (Klaus Hartung).
Nun sind sie flink dabei, Ratschläge zu erteilen, sie wollen gar „den Sieg“ an ihre bundesrepublikanischen „Fahnen“ heften, „Einheit und Recht und Freiheit“ reklamieren sie, nicht begreifend, daß „das Volk der DDR“ (Momper) gerade dabei ist, dies in ihrem Staat zu realisieren.
In heuchlerischer Manier sangen sie - die paar Oberen - auf den Stufen des Schöneberger Rathauses in West-Berlin am 10.11.89 von „Einigkeit und Recht und Freiheit“ zur Melodie von „Deutschland, Deutschland über alles“ (womöglich in den Grenzen von 1937 oder gar von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt); indes die Massen bei dieser Kundgebung, sowohl der Rede des Kanzlers Kohl als auch dem nationalistischen und revanchistischen Hintersinn, der nun einmal in dieser Melodie steckt, dies wohl begreifend, durch ein nicht enden wollendes Pfeifkonzert begegneten und beidem eine klare Absage erteilten. (...)
Karl Heinz Klaiber, Würzburg
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