: Ab ins kulturelle Ghetto
■ Ein Interview mit ARD-Nacht-Rock-Moderator Alan Bangs
taz: „Hier ist Alan Bangs, Hi...“, darf der WDR-Deejay den SWF-3-Hörern schon lange nicht mehr sagen. Was hält Alan Bangs seinerseits vom SWF 3?
Alan Bangs: SWF 3 machen ein perfektes Programm. Sie wollen Massenakzeptanz, und sie kriegen sie auch. Ich selbst bin daran aber nicht interessiert, sofern die Vorgabe von dreiminütigen Wort- und Musikhäppchen für nichts Unerwartetes mehr Platz läßt. Ist es denn nicht so, daß gerade der persönliche Stil des Sprechers, daß nichts so sehr wie ungeplante kleine Pannen eine Sendung plötzlich spannend machen können?
Exakt dafür bist Du ja reichlich bekannt und berüchtigt. Auch dafür, daß Du gerne erzählst, wo und zu welcher Musik Du zuletzt getanzt hast, wortlosen Augenblicken mit einer Plattenverkäuferin, und was es sonst noch zu einem Song zu sagen gibt. Es gibt Leute, die nehmen Dir übel, daß Du zuviel redest.
Ich weiß selbst nie genau, was ich reden werde, wenn das Mikro aufgeht, und wie ich den Titel ansage. Dabei kommt sehr oft unfreiwillig etwas Unvorhergesehenes oder Persönliches heraus. Wenn das nicht so sein darf, kann man ja zur Musikauswahl gleich einen Computer wie bei SWF 3 hernehmen, dem die Musik und die Moderation absolut gleichgültig sind. Übrigens ist es doch bei fast allen Radio -Stationen üblich, alle Musik danach zu präsentieren, daß man sie möglichst in jedem nächsten Laden an jedem Ort kaufen kann. Es klingt vielleicht komisch für einen Deejay, aber ich käme gar nicht auf die Idee, einem Hörer zu sagen, daß seine 20 Platten zu Hause nicht genug sein könnten, solange er sie mag.
Dir werfen viele vor, Du würdest ein reines Minderheitenprogramm für „Freaks“ machen...
Daß scheinbar nur wenige im Rundfunk eine Musik ertragen können, die einen Standpunkt äußert, die womöglich „aggressiv“ ist und abseits von der „Gute Laune„-Schiene, macht mich etwas traurig. Ich habe als Deejay bei BFBS, dem britischen Besatzungssender, oft in einer einzigen Stunde Klassik, Hip Hop und Neue Deutsche Welle untergebracht. Lege ich einmal beim WDR dazwischen eine klassische Platte auf, kommen regelmäßig Anrufe, die sich erkundigen, ob bei mir was nicht in Ordnung sei. Warum ist es nicht möglich, verschiedene Musikrichtungen zu mischen, muß man unbedingt todunglücklich sein, wenn man einmal eine klassische Platte spielt?
Was geschieht derzeit in den ARD-Anstalten, was, glaubst Du, sind die Folgen nach der Absetzung des „Nacht-Rock„ -Programme?
Die Rundfunkdirektoren, glaube ich, verwalten ein Programm, das sie selbst nie angehört haben. Warum können sie denn dem einen Prozent Leute, die nachts ihr Radio einschalten, nicht mal eine andere Musik gestatten als tagsüber? Sie werden sich mit diesem Rauswurf mehr Ärger einholen, als ihnen ihre Zuschaltquoten wert sind. Denn die Leute, denen ihre Musik wichtig ist, werden sie sich nicht ohne Protest wegnehmen lassen. Es kann nicht gut sein, bestimmte Musikrichtungen einfach auszublenden oder in wenige Spezialsendungen zu verbannen. Auf diese Art trägt das Radio dazu bei, kulturelle Ghettos zu produzieren.
Wie wird es ab 1990 weitergehen mit Alan Bangs?
Der WDR hat mir eine eigene Sendung außerhalb des ARD -Nachtprogramms angeboten. Doch damit bin ich noch nicht besonders glücklich. Die Vielfalt von sieben unabhängigen „Nacht-Rock„Sendungen pro Woche wird aufhören. Die Herausforderug, für eine relatives Mischpublikum zu moderieren, wird mir fehlen. Ich möchte zum Beispiel nicht nur einen immer gleichbleibenden Independent-Fanclub erreichen, ich finde eine möglichst unterschiedliche Resonanz, ob positiv oder negativ, sehr viel wichtiger und interessanter.
Interview: Norbert Knipp
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen