: Fünf Jahre Frauen-Richtlinie
■ Zwei aktive ÖTV-GewerkschafterInnen berichten über das Umsetzen der Frauenförder-Richtlinie „von unten“
Die „Richtlinie zur Förderung von Frauen im öffentlichen Dienst“ datiert vom Oktober 1984 und ist damit schon über fünf Jahre alt. Die Behörde, in der Beschäftigte zum ersten Mal versuchten, diese Richtlinie umzusetzen, heißt „Senator für Bildung, Wissenschaft und Kunst“. 1986, zwei Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie, startete in dieser Behörde auf Initiative von Personalrätinnen eine „gemischte Arbeitsgruppe“. Irmtrud Gläser, Vorsitzende des ÖTV -Kreisfrauenausschusses, und Gisela Hülsbergen, Bremer ÖTV -Vorsitzende, über ihre Erfahrungen:
Gisela Hülsbergen: Wir vom Personalrat haben bei der Behörde angefragt, wie sie sich das Umsetzen der Richtlinie vorstellt. Da es da keine Erfahrung gab, kam die Frage an den Personalrat zurück. Um konkret was zu bewegen, entstand die Idee, Personalrat und Behörde gleich an einen Tisch zu setzen.
Wichtig war für uns, daß die Richtlinie im Bewußtsein der Kolleginnen und Kollegen präsent ist. Wir machten eine Umfrage. Manche haben gesagt: Wir haben doch die Gleichstellungsstelle, also brauchen wir so ne Arbeitsgruppe nicht. Dann gab es Reaktionen von: „Im öffentlichen Dienst werden Frauen nicht benachteiligt“ bis dazu, daß Frauen deutlich sagten: „Sowas wollen wir nicht“. - Jedenfalls haben wir gemerkt, daß eine große positive Einstellung nicht vorhanden ist. Dann haben wir das Thema zum Inhalt einer Personalversammlung gemacht und Barbara Loer von der Gleichstellungsstelle eingeladen.
Dann haben wir Infos im ganzen Haus verteilt und Fortbildungen während der Arbeitszeit angeboten - dezentral, in Arbeitsplatznähe, nur für Frauen, das war ganz neu. Es ging darum, daß Frauen ihre eigene berufliche Situation in Verbindung mit ihren Familienpflichten reflektieren, was bei vielen einen Aha-Effekt hatte, weil sie zum ersten Mal gemerkt haben, wie wenig Zeit sie für sich in einem normalen Tagesablauf eingeplant haben. Die eigene Situation war ihnen nicht bewußt.
Irmtrud Gläser: Viele Frauen konnten am Anfang gar nicht verstehen, daß sich jemand wirklich für ihre Bedürfnisse interessiert. Daß es wirklich eine Arbeitsgruppe in der Behörde gibt, die von ihnen selbst wissen will, was sie für Probleme haben.
Gisela Hülsbergen: Die Problematik, die in der bremischen Verwaltung aktuell ansteht, ist „Technik-Einführung“. Die Frage, die sich stellt, ist: Sind Frauen mit ihren Arbeitsplätzen die Verlierer?
Irmtrud Gläser: Wir haben dazu eine Fortbildungsreihe gemacht und am Ende mit der Behördenleitung diskutiert. Die Frauen haben Forderungen vorgebracht. Sie wollen ihre Ängste und Hemmschwellen mitberücksichtigt haben.
Gisela Hülsbergen: Jetzt fangen die Frauen selbst an, ihre Interessen in der Behörde in die Hand zu nehmen. - Und nur wenn eine Frau das Selbstbewußtsein hat, ihre Bewerbung z.B. auch nach einer Ablehnung aufrecht zu halten, kann man als Personalrat aktive Frauenförderung betreiben. Nur dann ist es möglich, eine Frau auf einer Stelle durchzusetzen, obwohl sie nicht gewollt war.
Gespräch B.D.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen