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Kleine Hoffnung in die Wahlen

■ Chilenische Gewerkschaften krempelt die Ärmel hoch für die Zeit nach der Wahl

14.300 Arbeiter malochen in den 23 Häfen Chiles. Rund 80 Prozent sind gewerkschaftlich organisiert. Gestern war ihr Generalsekretär Nibaldo Gutierrez Herrera Gast des Bremer Chile-Koordinationskreises, um über Gewerkschaftsperspektiven für die Zeit nach der Wahl in Chile zu informieren.

Foto: Wolfram Steinberg

Das größte Problem, mit dem die chilenischen Gewerkschaften zur Zeit zu kämpfen hätten, sei ihre Zersplitterung, erläuterte Herrera die derzeitige Lage im südamerikanischen Staat. Die Militärs versuchten auch noch unmittelbar vor der Wahl, möglichst viele staatliche Konzerne in private Hände zu verkaufen, um so die ökonomische Macht in den Händen der Großgrundbesitzer zu festigen und die Organisationen der Arbeiter zu schwächen. Im Bereich der Häfen sind es Pachtverträge mit bis zu zwanzig Jahren Laufzeit, die dem privaten Kapital den Einfluß sichern. Sputen die Arbeiter nicht, werden sie durch Billigkolonnen ausgetauscht. „In Chile kann es dir passieren, daß in einem Unternehmen bis zu 27 verschiedene Gewerkschaftsorganisationen vertreten sind. Wir müssen also versuchen, die ArbeiterInnen nach der Wahl wieder in einen starken Verband zu zentralisieren,“ formulierte Herrera die dringenste Aufgabe der Gewerkschaft. Sie unterstütze zwar den christ-demokratischen Präsidentschaftskandidaten Patricio Aykwin, der als Gemeinschaftskandidat der demokratischen Opposition (Concertacion) aussichtsreichster Anwärter auf den Posten des Präsidenten ist, jedoch nur, um den eigenen Handlungsspielraum unter der kommenden Regierung zu erweitern.

In Chile sind 20 Prozent der Bevölkerung arbeitslos. In den letzten sechs Monaten kletterte die Inflationsrate um zehn Prozent. Deshalb fordern die Gewerkschaften die Stabilität der Arbeit, Lohngarantien, soziale und gesundheitliche Versorgung durch den Staat und eine solide Bildungspolitik. Der Mindestlohn in Chile beträgt zur Zeit etwa 18.000 Pesos (60 Dollar). Chiles Wirtschaft ist abhängig vom Export. Deshalb haben die Hafenarbeiter eine Schlüsselrolle in der Ökonomie. Die Zersplitterung ihrer Strukturen unter Pinochet, die Verfolgung ihrer Mitglieder und die Übernahme der Interessenvertretung durch „linientreue“ Funktionäre haben die ArbeitnehmerInnenvertretung aufgerieben. Ein Wahlsieg der Concertacion schafft neue Hoffnung für die politischen Vertretungen der ArbeiterInnen. ma

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