Außenhandel der DDR: Die SED kassiert mit

■ SED-Reformer kritisieren „Beschaffungs-GmbHs“ ihrer Partei / Milliardengewinne

Berlin (ap/taz) - In der SED wird zunehmend Kritik an ihren dubiosen Firmen und merkwürdigen Transaktionen zur Beschaffung von Devisen laut. Ein „unübersichtliches Netz von parteieigenen Tarnfirmen“, heißt es in Kreisen des Zentralkomittees, habe „sich über Jahre widerrechtlich Volkseigentum angeeignet“. Von rund 100 sogenannten „Beschaffungs-GmbHs“ ist die Rede. Diese Genossen-„GmbHs“ sind ausschließlich im Besitz der Partei und werden jeweils von „ausgesuchten Parteileuten“ geführt.

Bei vielen West-Ost-Geschäften kassieren sie mit, mal als Zwischengewinn, mal als Provision. Experten beziffern den Gewinn auf zwischen sieben und zwölf Milliarden D-Mark jährlich, die auf diese Weise in die Kassen der SED geflossen sein sollen. Einige schätzen die Zahl noch weitaus höher.

Wie hoch der Profit ist, und von wieviel Firmen er erwirtschaftet wurde, ist von den Verantwortlichen bisher nicht bekanntgegeben worden. Der Abteilungsleiter für Finanzverwaltung und parteieigene Betriebe bei der SED, Heinz Wildenhain, weiß es ebenso wie der ehemalige Honecker -Stellvertreter Günter Mittag. Mittag weigert sich hartnäckig, die Schweizer Nummernkonten preiszugeben.

Zu den ältesten SED-Firmen zählt neben der Forum GmbH, die die Intershops mit Waren versorgt, etwa die Intrac GmbH in Pankow mit 200 MitarbeiterInnen. Sie handelt mit allem, was Gewinn verspricht, manchmal sogar mit Oldtimern, von denen es in der DDR noch viele gibt. Aus den Zeiten des Interzonenhandels stammen auch die „Meletex“ und die „Genex“, eine „Geschenkdienst GmbH“ an der Mauerstraße im Bezirk Mitte. Vom Trabi bis zum Ost-Kühlschrank weist der firmeneigene Katalog ein üppiges Warenangebot aus; hier können DDR-BürgerInnen gegen Devisen ohne Wartezeiten ordern. Neben Handel und Beratung („Simpex GmbH“) sorgen andere Firmen für Kosmetik- und Schmuck-Geschäfte („Asimex GmbH“), kümmern sich als Lizenzbüro um Datentechnik und angewandte Elektronik („Intertechna GmbH“) oder nennen sich IsoCommerz, wenn es um den nicht ganz ungefährlichen Innen und Außenhandel mit „radioaktiven und stabilen Isotopen“ geht. Schließlich gibt es noch eine Inter-, eine Techno- und eine ZentralCommerz, die Textilien und Zucker vertreibt ganz kommerziell. Für besondere Marktberatung und Marketin stehen andere parteieigene Läden bereit, die „Iberma“ in Pankow und die Deutsche Werbeagentur („Dewag“) seit fast 40 Jahren. Als Teil der Bewußtseinsindustrie gehören die Marx -Engels-Werke zum SED-eigenen Dietzverlag. Hinzu kommt etwa auch das Druckhaus Zentrag.

Noch bevor Warnungen den „Ausverkauf“ der DDR beschworen, war die SED auf dem Gebiet nicht untätig. Was heute dem Ost -Bürger untersagt wird, übernahm bislang ganz offiziell eine „Kunst und Antiquitäten GmbH“ für den Im- und Export in der Französischen Straße. Insider-Kommentar: „Importiert haben die nie was.“

Die Praxis all dieser Institutionen soll auch vom Untersuchungsausschuß der Volkskammer, der sich mit „Korruption und Machtmißbrauch“ beschäftigt, intensiver durchleuchtet werden. Ein Tip: Das Ostberliner Telefonverzeichnis liest sich wie ein Gotha der Partei -GmbHs. Dabei ist die SED aber nicht nur im nationalen Maßstab tätig. Wie eine weitverzweigte Holding reichen ihre Dependancen neben den bundesdeutschen Filialen bis nach Schweden, Luxemburg, die Schweiz und West-Berlin, wo sie der SEW unter die Arme greift. Bedeutende Standbeine sind die Orvag AG im Schweizer Niedrigsteuer-Kanton Zug und die Svenska Västfisk Export AB in Göteborg. Die machte 1982 weniger durch Fisch als durch eine Spionageaffäre von sich reden.

DDR-Staatssekretär Alexander Schalck-Golodkowski hat inzwischen der Darstellung von SED-Reformern widersprochen, wonach die „Forum-GmbH“ ein Betrieb der SED sei. Der Staatssekretär im Außenhandelsministerium erklärte nach einer Meldung der DDR-Nachrichtenagentur 'adn‘ vom Montag, dieser Betrieb sei „Bestandteil der Außenwirtschaft der DDR“ und habe „stets alle Einnahmen an den Staat abgeführt“.

Benedikt M. Mülder