: Der DDR-Bürger als Problemlage
■ Bremer Behörden-Vertreter und die Verwaltung von „Zuströmen“ und „Abgängen“
Je behördenmäßiger man einen Menschen anguckt, desto aufgelöster guckt er zurück: Unter bürokratischen Gesichtspunkten zerfällt der Durchschnittsbürger in ein Bündel von Problemlagen samt zugehöriger Verwaltungsaufgaben. Ein deutscher Familienvater entpuppt sich z.B. unter bestimmten, sorgfältig zu prüfenden Voraussetzungen plötzlich als „Antragsberechtiger für eine B -Schein-Wohnung, als Zielgruppen-Komponente in der Berechnung von Kindertagesstätten-Bedarfen, als „potentielles Klientel“ in der Anweisung von Feuerungshilfen oder auch als Nachweisverpflichteter bei der Erfüllung der Schulpflicht etwaiger Nachkommenschaft. Behördlich betrachtet, ist ein Mensch etwa das, was die Großvieheinheit für den EG-Landwirt bedeutet.
NeubremerInnen, in Sonderheit sofern sie unangekündigt und unprognostiziert - sozusagen
überfallartig - aus der DDR, Polen oder der Sowjetunion „zuströmen“, stellen unter diesem Gesichtpunkt eine besondere Zumutung im deutschen Behördenalltag dar. Diesen Eindruck mußte jedenfalls ein rundes Dutzend Aus-und Übersiedler bekommen, das sich - einer herzlichen Einladung des Ortsamts folgend - am Montag abend ins Schulzentrum Huckelriede zu einer öffentlichen Sitzung des ortszuständigen Stadtteilbeirats verirrt hatte. Ihnen gegenüber hatte der Initiator des deutsch-deutschen Dialogs zwischen Neu-Neustädtern und Alt-Neustädtern, Klaus Rosebrock, eine geballte Phalanx von Behördensachverstand postiert. Krisengeschüttelte Schullaufbahnberater, strukturell-überforderte statistik-frustrierte Kindertagesstätten-Bedarfsplaner, spendenverwaltungserfahrene Wohlfahrtsverbands -Repräsentanten, prognose-enttäuschte Vorschulplanungsreferenten
konnten so zu Krisenbewälti gungsstrategien gegenüber den gelungen für DDR-Übersiedler darstellen.
Wahrlich, ein Bremer Beamter ist in diesen Tagen nicht zu beneiden. Jeder Aus- und Übersiedler - und allein in Huckelriede sind es bislang fast 500 - stellt Bremens Behörde zunächst vor ein Analyse-Problem: Er ist zu überprüfen auf seine Vermittlungsfähigkeit, seine Zeugnisanerkennungsfähigkeit, seine Sprachförderungsbedüftigkeit, seine Arbeitslosengeldberechtigung. Es müssen Bedarfe des je zustehenden Topf-, Wasserkessel und Besteck-Aufkommens ermittelt werden usw. usw. Erst in einem zweiten Schritt kann dann ein maßgeschneidertes Programm der einzelfallorientierten Integrationshilfen zusammengestellt werden. Und das alles unter Bedingungen, bei denen Bremens Kindergartenverwalter und Schulplaner auch ohne das zu
sätzliche DDR-Bürger-Auf kommen alle Mühe haben, ein qualifiziertes Beratungsangebot aufrecht zu erhalten.
Zum Beispiel: Der bundesdeutsche Markt für Etagenbetten ist leergefegt, Erzieherinnen mit Polnisch-Kenntnissen auch nur noch schwer zu kriegen und ob es in 5 Jahren noch eine Grünfläche in Bremen ohne Mobilbau-Bebauung geben wird, ist derzeit auch nicht prognostizierbar. Oder, wie Frau Dr. Heiner, Abteilungsleiterin in der Behörde von Sozialsenator Scherf es ausdrückte: „Der nicht abreißende Zustrom hat uns in einen Wettlauf mit der Krise gestürzt, den wir nicht gewinnen können.“
Was sind dagegen die Probleme eines von zwei Aussiedlern, die sich auch einmal zu Wort zu melden wagten und es nicht schön fand, immer noch mit „Plaste-Besteck“ essen zu müssen. Der Mann hat Sorgen!
K.S.
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