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Frauenstadthaus zwangsersteigert

■ Das Frauenstadthaus kommt, aber es kommt teuer / Preis über der 500.00er Grenze

Raum 132 im Bremer Amtsgericht: Hier verwandeln sich regelmäßig einmal pro Woche Rechtspfleger in Auktionatoren. Unter den Hammer bringen sie Eigentumswohnungen, Doppelhaushälften und ganze Häuser. Das Publikum ist männlich-gemischt: Vertreter der Gläubigerbanken, Strohleute von Baugesellschaften, Spekulanten, dazwischen MieterInnen, die um ihre Kündigung bangen. Wichtigste Spielregel: Die InteressentInnen zeigen ihren Personalausweis vor und blättern zehn Prozent des Gebots in Form von Tausendmarkscheinen oder beglaubigten Schecks auf den Tisch.

Gestern nun ereignete sich eine Zwangsversteigerung der besonderen Art. Als der auktionierende Rechtspfleger um 10.32 Uhr das Objekt „Hulsberg 11“ aufrief, wurde es eng im Saal. Tischlerinnen, Ökonominnen und Architektinnen drängten sich zigfach unters Publikum, gleichzeitig gingen diverse Herren, mit Tausendmarkscheinen präpariert, in der vorderen Saalhälfte in Position. Die Frauen machten aus ihrer Ab

sicht keinen Hehl: Seit über drei Jahren wollen sie ein „Frauenstadthaus“, seit einem Jahr haben sie ein begehrliches Auge auf das Gebäude „Hulsberg 11“ geworfen. Haben bereits die Schlüssel, die Baupläne, die Zusagen für EG-und ABM-Gelder und auch die Fachfrauen, die als Bauhandwerkerinnen binnen drei Jahren das Gebäude sanieren und in Werkstätten, Wohnräume, Ateliers verwandeln wollen. Was die Frauen aber nicht hatten, ist ein Kaufvertrag. Denn den hatte ihnen Eigentümer S. trotz mündlicher Zusagen nicht unterschrieben. Die 25 Frauen vom „Stadthaus“ standen gestern denn auch unter erheblichem Druck: Die EG-und ABM -Gelder werden ihnen nur dann ausgezahlt, wenn bis Ende 1989 ein Gebäude gekauft ist.

Die Architektin Marlies Hestermann gab für den Verein „Frauenstadthaus“ das erste Gebot ab. Sie sollte auch die einzige Bieterin bleiben. Denn eine interessierte Bremer Gastwirtin nahm Abstand von dem Objekt, als sie erfuhr, daß ein großes Frauenpro

jekt es für Frauenarbeitsplätze erwerben wollte: „So ein Frauenhaus tut not. Ich bin aber gespannt, wer da mitbietet, wem die Frauen egal sind.“

An Interessenten herrschte kein Mangel. Selbst der rechtspflegende Auktionator fand es „ungewöhnlich“, daß soviele Interessenten sich für ein „Wrackhaus“ in halbwegs zentraler Lage meldeten und den Wert bis auf das eineinhalbfache steigerten. Zwei junge Schnösel versuchten als erste zu überbieten, aus einer Plastiktüte kramten sie Tausendmarkscheine Mark hervor. Ab 300.000 Mark schalteten sich ein Herr Linnemann und ein Herr Steiner in das teure Geschehen ein. Immer mehr Männer drängten sich breitbeinig vor dem Tisch des Auktionators. 310.000 Mark. 320.000 Mark. Dazwischen Marlies Hestermann, die beharrlich immer knapp drüber bleibt. Schließlich, bei 455.000 steigt auch Herr Steiner aus. Hoffnung keimt auf. Doch dann macht sich aus dem Hintergrund ein Herr Bielefeld bemerkbar: „460.000“. Eine Frauenstimme macht ihn an:

„Können Sie sich nicht ein anderes Objekt suchen? “ Der Auktionator wird sauer: „Für Emotionen haben wir hier keine Zeit“. Bielefeld rinnt der Schweiß über die Stirn, aber er nimmt die magische Schwelle: „500.000“. Legt nochmal 5.000 drauf. - Und steigt aus. Zum ersten, zum zweiten, zum dritten“ - das „Frauenstadthaus“ kriegt den Zuschlag. Die Weiblichkeit im Saal springt von den Stühlen und klatscht, die Heldinnen umarmen sich. Die geschiedene Ehefrau des hochverschuldeteten Eigentümers bedankt sich bei dem geheimnisvollen Presitreiber Bielefeld.

Die anderen Frauen fahren zu „ihrem“ Haus, taufen es mit einer Sektflasche, begutachten noch einmal die Löcher im Dach, die feuchten Wände, die kaputte Installation. „Wenn das Geld nicht gereicht hätte, hätte ich noch 10.000 Mark aus meiner Tasche dazugegeben“, sagt eine. 250.000 Mark mußten sie als Kredit aufnehmen, wer von den taz-Leserinnen ihr Konto plündern will, melde sich bei Finanzkontor. Tel: 0421/327253

B.D.

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