Lloyd-Hotel: Erst sanieren, dann planieren

■ Bremen kauft für 4,1 Millionen „asylbewerberfreies“ Grundstück / SPD-Vorsitzende stimmt zu, Grüne dagegen

Das Problem, das der Bremer Wirtschaftsförderungsausschuß gestern zu lösen hatte, formuliert der Bremer Rechtsanwalt und Notar Dr. Ernst Albert so: „Es geht um einen Zielkonflikt zwischen Humanität und Städtebau.“ Die Bremer Abgeordneten im Wirtschaftsförderungsausschuß entschieden sich gestern mit den Stimmen von SPD (die der Parteivorsitzenden Ilse Janz inklusive) , FDP und CDU für den Städtebau und gegen die Humanität - und damit ganz im Sinne Alberts. Die einzige Gegenstimme war die des grünen Abgeordneten Manfred Schramm.

Konkret sieht der Beschluß vor, das ehemalige Lloyd-Hotel am Nordausgang des Hauptbahnhofs lieber abzureißen, als es langfristig für Asylbewerber und Aussiedler zur Verfügung zu stellen. Bis zum 15. April soll der seit Jahren leerstehende 20er-Jahre-Klinkerbau endgültig verschwunden sein. Bis dahin, aber auch keinen Tag länger, darf die Behörde von Sozialsenator Henning Scherf 300 Asylbewerber und Aussiedler in dem Gebäude unterbringen. Dann, so sehen es die Pläne von Wirtschaftssenator Uwe Beckmeyer vor, müssen die Aussiedler einem neugestalteten Bahnhofsvorplatz weichen.

Dr. Ernst Albert ist Berater und juristischer Vertreter des Bremer Investors Klaus Hornung. Hornung seinerseits wiederum Besitzer des Lloyd-Hotels inclusive eines 2.600 Quadratmeter großen Grundstücks hinter

dem Nordausgang des Bahnhofs. Das künftige Schicksal beider regelt die gestern verabschiedete Beschluß-Vorlage Nr. 38 der parlamentarischen Wirtsschaftsförderer, in der es wörtlich heißt: „Der Ausschuß stimmt dem Ankauf des sogenannten Hapag-Lloyd-Grundstücks im Verkehrswert von 4,6 Millionen (inc. Abriß-und sonstiger Nebenkosten der Bodenordnung) von Herrn Hornung zu, wobei das Grundstück bis zum 15. April 1990 in abgeräumtem Zustand geliefert wird.“ Klartext: Bremen kauft

ein Grundstück, allerdings unter der Bedingung, daß es „asylbewerberfrei“ übergeben wird.“ Die Erfüllung dieser Bedingung ist den Wirtschaftsförderern dabei rund 2 Millionen Mark wert. Denn das kahle Grundstück - ohne Lloyd -Hotel - würde allenfalls einen Kaufpreis von 2,5 Millionen rechtfertigen. Die übrigen 2,1 Millionen bezahlt die Stadtgemeinde für den Hotelbau und seinen sofortigen Abriß.

Bar bezahlt wird von den 4,1 Millionen allerdings ohnehin nur rund eine Million. Der Rest wird

in „Naturalien“ erledigt: Im Gegenzug für den Verkauf des Lloyd-Grundstücks soll Hornung nämlich eine rund 3.900 Quadratmeter große Nachbarfläche (Verkehrswert 3,75 Millionen) direkt am Nordausgang des Bahnhofs erhalten. Hier will der Investor eine zweite Bahnhofshalle mit zwei fünfgeschossigen Einkaufs-und Dienstleistungszentren bauen, in der Besucher des künftigen Kongreßcentrums an der Bürgerweide noch schnell ihre Nachttischlektüre, ein paar Zigaretten und Rasierwasser besorgen

können. Dabei sind sich Wirtschaftsenator und Privatinvestor völlig einig darin, daß das alte Lloyyd-Hotel ihre Pläne nur stören würde. Frank Haller, Senatsdirektor im Wirtschaftsressort: „Wir können zwischen Bahnhof und Kongreßcentum keine Hinterhofatmospähre gebrauchen. Ein abgeschlabbertes Hotel hat da nichts zu suchen.“ Und Hornung -Berater Albert: „Gästen des Kongreßcentums ist eine Asylbewerber-Absteige in der Nähe nicht zuzumuten.“

Mit einer saftigen Konventionalstrafe hat Sozialsenator Henning Scherf denn auch zu rechnen, wenn er die 300 Asylbewerber und Übersiedler nicht rechtzeitig vor dem Anrücken der Abrißbagger anderweitig untergebracht hat. Außerdem zahlt Scherf Lloyd-Hotel-Besitzer Hornung bis zum 30. März eine Miete von rund 30.000 Mark monatlich. Weitere 50.000 Mark sind nötig, um Heizungsanlage und Sanitäreinrichtungen des Hotels für die „Übergangsnutzung“ instand zu setzen.

Die beiden Bremer Grünen, Paul Tiefenbach und Horst Frehe, die die Senatspläne gestern der Presse vorstellten, verstanden denn auch die Welt nicht mehr: Statt Gebäude erst aufzukaufen und dann zugunsten von „Freiplätzen“ abzureißen, forderten sie notfalls die Zwangsbeschlagnahmung leerstehenden Wohnraums für Aussiedler und Asylbewerber

Klaus Schlösser