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Fernsehfiasko

■ „Europas Sterne strahlen“? Nicht im ZDF!

Die Wahrheit dessen, was man will, ist das, was man tut. Im letzten November war es dem ZDF noch 1,6 Millionen DM wert, die erstmalige Verleihung des „Europäischen Filmpreises“ in Berlin mitzuproduzieren. Live und in voller Länge wurde sie ins eigene Programm plaziert, per Eurovision in 17 Länder übertragen.

Die zweite Verleihungszeremonie am 25.November im Pariser „Theatre des Champs-Elysees“ war dem ZDF nur noch eine Stunde Programmzeit wert, und auch die wurde erst einen Tag später kurz vor Mitternacht ausgestrahlt. Der „Europäische Fimpreis“, den ein Berliner Kultursenator initiiert hatte, ist offenbar eine Idee, ein Spielzeug von Politikern geblieben. Das bundesdeutsche Fernsehen jedenfalls beschränkt sein europäisches Engagement an dieser Stelle wie beim Projekt eines französisch-deutschen Kultur-Kanals, das Mitterrand, Kohl und Späth vorantreiben - auf vorsichtige Lippenbekenntnisse und setzt die Projekte in aller Stille auf Sparflamme.

Aber auch die europäischen Regisseure haben diesen „Europäischen Fimpreis“ (noch?) nicht zu ihrer Sache, ihrem Forum gemacht. Zwar hatten die 40 VIPs, die sich im April in Berlin zur Gründung einer „European Cinema Society“ zusammengefunden hatten, ihren Willen bekundet, den Preis und die Verleihungszeremonie mitzugestalten. Hanna Schygulla beispielsweise hatte damals Präsentatoren mit „more personality“ gefordert, die spontan reden sollten statt Texte von Ghostwritern aufzusagen. Das könnten die Amerikaner ohnehin besser als die Europäer. „We should be authentic in a more risky way“, verlangte sie.

Diesmal, in Paris stand sie selbst als Präsentatorin auf der Bühne, war tatsächlich eine der wenigen, die eine persönliche Note, ein wenig Wärme in die holprige Prodzedur brachte. Ihrem Co-Präsentator Pedro Aldomovar, den sie (zu seiner Freude) als den „Fassbinder Spaniens“ titulierte, schenkte sie ein Stück Berliner Mauer - weil er mit seinen Filmen geistige Mauern einreiße, zu einem Europa ohne Grenzen beitrage.

Doch solch anrührende Augenblicke, in denen europäischer Geist faßbar, weil gelebt wurde, waren (jedenfalls dem Zusammenschnitt des ZDF nach) selten an diesem Abend.

Die meisten Präsentatoren waren unvorbereitet, brachten Umschläge und Listen durcheinander und quälten sich mit den fremdsprachigen Namen und Filmtiteln. Die eingespielten Filmschnipsel sorgten eher für Verwirrung, als daß sie Appetit auf europäischen Film machten: Meistens waren sie viel zu kurz, gelegentlich französisch untertitelt, und was die ZDF-Kommentatorin darüberquasselte, lenkte vollends ab von den Bildern, war zudem ungenau, manchmal auch - etwa bei High Hopes - schlicht falsch.

Den Conferencier des Abends, Frederic Mitterrand, stellte uns das ZDF gleich zu Anfang als Neffen des Staatspräsidenten vor. Daß uns dieser staubtrockene Herr im selben Atemzug auch noch als „Publikumsliebling“ angedient wird, bestärkt den Verdacht, daß er es vor allem deshalb so weit gebracht hat im staatlichen Fernsehen, weil er die richtgen Verbindungen hat.

Die chauvinistischen Allüren der französischen Gastgeber brachen sich auch innerhalb der Vergabezeremonie mehrmals Bahn. Die als „beste junge Filme“ nominierten Titel wurden auf der Bühne von einem alten französischen Kleindarsteller vorgelesen. Der brach sich die Zunge ab an den fremdsprachigen Titeln, verhedderte sich, kam selbst bei Zahlen durcheinander; seine beiden Co-Präsentatorinnen halfen ihm nicht nur nicht, sondern schütteten sich aus vor Lachen - und steckten das Publikum im Saal an. In Paris klingen ausländische Namen offenbar immer noch witzig, und es darf ohne Scham gelacht werden, wenn einer kein Franzose ist. Der Saal lachte weiter, als der alte Mann, endlich durch mit der Liste, allen Ernstes bedauerte, daß diesmal kein Franzose unter den Nominierten sei und daß das anders werden müsse.

Arg weit her ist es also noch nicht mit dem europäischen Geist der Franzosen. Dafür blüht ein geradezu anrührend naiver Antiamerikanismus, der ohne die geringste Kenntnis des Gegners auskommt. Philippe Noiret, eben als bester europäischer Schauspieler ausgezeichnet, ließ seiner spontanen Begeisterung freien lauf: So einen Abend zu organisieren, das hätte Hollywood nie hingebracht. Damit mag er recht haben: In Hollywood hätten es solche „hosts“, solche „acts“ und solch ein stocksteifer „showmaster“ nicht über „auditions“ (Seniorenbälle) hinausgebracht.

Es sei dies, versicherte die Kommentatorin des ZDF, ein gelungener Abend gewesen, gerade mit und wegen seiner „kleinen liebenswürdigen Pannen“, eben „typisch französisch“! Den Verdacht habe ich auch. Genau deshalb hätte ich ihn gerne, wenn überhaupt, dann zumindest live und in voller Länge miterlebt. An dieser Stelle hätte ich ihn gerne als Lehrstück, als Kostümprobe für den Konflikt zwischen europäischer Heimatsehnsucht und nationaler Borniertheit en detail analysiert. Dafür freilich interessierte das ZDF sich nicht. Es beschied sich mit einer lieblos hingeschluderten Pflichtübung. Wer so für Europa ist, ist dagegen. Und der europäischen Filmkultur, als deren Förderer sich das ZDF sonst so gerne preist, leistet sie mit solch einer Sendung einen Bärendienst.

Kraft Wetzel

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