piwik no script img

Sport für alle?

Rassistische Quoten im französischen Fußball  ■  PRESS-SCHLAG

Gerne wird das Bild gepflegt vom Sport als Ort des Friedens, in dem alle ohn‘ Ansicht von Geburt und Herkunft die gleichen Chancen haben. „Sport für alle“ ist auch die Devise der Pariser Rathäuser, quasi als Pendant zum republikanischen „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“. Doch leider herrscht auch im real existierenden Sport die Regel des feinen Unterschieds zwischen Franzosen und Nichtfranzosen.

In Montfermeil, einer Schlafstadt im Pariser Osten, spielt die Mehrzahl der Immigrantenkinder foot - wie in allen Vorstädten zwischen Rio und Kamtschatka. Und fast alle wohnen in der Trabantensiedlung Bousquet, gleich neben dem Stadion „Henri Vidal“. Die Siedlung wurde Mitte der sechziger Jahre gebaut als Auffangbecken für Immigrantenfamilien. Jede Gemeinde hat eine bestimmte Quote von Immigranten aufzunehmen. Der Rest kommt nach Bousquet, von denen, die es nicht kennen, auch „Chicago“ genannt.

Doch die Probleme der Siedlung enden nicht am Stadioneingang. Zwar akzeptiert der kommunale Fußballklub Ausländer, aber die Französische Fußballvereinigung (FFF) schreibt ihm strikte Quoten vor. Jede Mannschaft, die an regionalen, Departement- oder Distriktmeisterschaften teilnimmt, muß die Quoten respektieren, unter Strafe des Ausschlusses aus der FFF. Und je höher der Rang der Equipe, desto geringer die Quote. Auf der untersten Ebene sind noch fünf Ausländer für eine Mannschaft von 13 Spielern erlaubt, in der 2. Departementliga nur noch drei und auf Regional und Nationalebene sogar nur noch zwei. Dummerweise sind 75 Prozent aller Fußballspieler in Frankreich ausländischer Herkunft.

Die Mannschaft von Montfermeil spielt in der ersten Departementliga, hat also das „Anrecht“ auf drei Nichtfranzosen. Jeden Donnerstag abend nach dem Training wird die Mannschaft für das Ligaspiel am Wochenende aufgestellt - ein Hauen und Stechen. Egal wie gut die wenigen Franzosen des Vereins spielen, sie müssen aufgestellt werden - so will es die FFF. Monsieur Alain Bornand, der Trainer: „Jeden Donnerstag das gleiche Theater. Ein Dutzend Augen starrt mich an, wer wird zu den glücklichen drei Spielern gehören?“

„Ich habe die Nase gestrichen voll“, sagt Zenati, „du trainierst auf dem Gemeindesportplatz, den du mit deinen Steuern zahlst, und dann verbieten dir die Quotenregelungen, deinen Sport zu praktizieren.“

Der Präsident des Klubs verteidigt sich mit dem Hinweis, es genüge ja, die französische Staatsbürgerschaft zu beantragen. Außerdem könne er die Regeln nicht ändern. Die Rathäuser, die die Fußballklubs subventionieren, verweisen ihrerseits auf die Autonomie der Sportverbände. Die FFF rechtfertigt die Quoten mit dem Verweis auf die Nationalmannschaft: „Ohne Quoten würden wir Mannschaften ausbilden, aus denen die französische Nationalmannschaft ihr Material nicht mehr rekrutieren könnte! Wenn wir die Menge der ausländischen Spieler nicht begrenzen, wird das Niveau der französischen längerfristig darunter leiden.“ Die ausländischen Fußballer könnten, so die FFF, eigene Mannschaften bilden, „und wir würden uns freuen, sie bei unseren Wettbewerben begrüßen zu dürfen“.

Schön und gut, natürlich könnten die Beurs Equipes aufstellen, in denen jeweils nur drei Franzosen mitspielen dürften. Nur würden sie dann keine Unterstützung der Rathäuser bekommen und bei der Stadionvergabe benachteiligt werden. Das ist jedenfalls die Erfahrung der wenigen ausländischen Mannschaften, die sich in den Pariser Vorstädten gebildet haben.

Vom „Sport für alle“, wie es auf den Plakaten der Rathäuser steht, ist man noch weit entfernt. Der Gipfel des Absurden: Der Klub von Montfermeil läßt Annoncen in Sportzeitungen erscheinen, die lauten „Spieler gesucht. Bedingung: französische Staatsbürgerschaft.“

Tarik Kawtari (Übersetzung: smo)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen