SPD demontiert Doppelsenator Kunick

■ SPD-Deputationssprecher Ludwig Hettling läßt seinen Senator ins Leere laufen / Deputierter über Hettling: „Schlicht zum Kotzen“

Konrad Kunick hat zur Zeit nicht mehr die rechte Freude an der politischen Arbeit und schon gar nicht an seinem Dasein als Doppelsenator in Sachen Bau und Verkehr. Denn die zwei Ressorts haben ihm bislang zwar nicht viel Ehr‘, dafür aber viel Feind‘ eingebracht. Und die sitzen pikanterweise in wichtiger Position in der eigenen Fraktion. Das durfte Kunick am Donnerstag leidvoll erfahren. Da wurden ihm sowohl in der Sitzung für Häfen, Schiffahrt und Verkehr, als auch danach in der Baudeputation „die Socken ausgezogen“, so ein Sitzungsteilnehmer. Wobei der Senator in der Baudeputation gar nicht dabei sein konnte. Denn die Häfendeputation überzog die kalkulierte Sitzungsdauer gleich um mehr als eine Stunde. Der Grund:Der Sprecher der Häfendeputation,

Ludwig Hettlig, hatte zuvor wieder sein liebstes Politikspiel veranstaltet und das heißt: „Hau den Kunick und das möglichst oft“.

Beispiel eins: Ein Schwerpunkt der Sitzung sollte die Zukunft der Firma Röchling im Industriehafen sein. Traditionell schlägt Röchling Tropenhölzer, Erz und feste Brennstoffe um. In das Grundbuch hat die Stadt eintragen lassen, daß Röchling keinen Güterumschlag betreiben darf, mit dem ein „unangemessener Wettbewerb“ mit der Bremer Lagerhausgesellschaft entstünde. Da es um die Auftragslage von Röchling zunehmend schlechter bestellt ist - Tropenholz wird vermehrt in Nordenham umgeschlagen - haben die Manager begonnen, Container umzuschlagen. Im Jahre 1989 werden es etwa 17.000 Container sein. Ku

nick wollte daraufhin den Vertrag mit Röchling vorsorglich zum Jahre 1992 kündigen und vor diesem Hintergrund mit Röchling über die Firmenzukunft weiterverhandeln. Kunicks Begründung: „Die bremische Seehafenwirtschaft hat sich bislang von der Philosophie leiten lassen, den Wettbewerb zu den konkurrierenden Nordseehäfen und nicht untereinander zu betreiben.“ Da hat der Deputationssprecher Ludwig Hettling aber eine ganz andere Philosophie: Zusammen mit der Geschäftsleitung gab er bei dem früheren Senatsdirektor Häfen, dem Rechtsanwalt Udo Kapust ein Gegengutachten zu seinem Senator in Auftrag. Kunick dazu in der Beratungsvorlage: „Der Senator teilt die Auslegungen des Rechtsanwaltes Dr. Kapust nicht.“ Folge: In der Frak

tionsabsprache vor der Deputationssitzung verfügte Hettling kurzerhand: Beratungsvorlage und Tagesordungspunkt werden zurückgezogen.

Beispiel zwei: Die Fraktion der Grünen hatte in der Bürgerschaft durchgesetzt, daß der Senat einen Sachstandsbericht zum Thema Transrapid und Bremen vorlegen solle. Der Senator wollte vortragen, daß Bremen sich bemühen wolle, berücksichtigt zu werden. Das aber wollte Hettling nicht. Begründung: Der Bundesverkehrsausschuß mache demnächst ein Hearing zu Transrapid, das solle der Senat abwarten. Kunick kleinlaut: „Dann ziehe ich den Bericht zurück.“

Beispiel drei geht auf die letzte Deputationssitzung im Oktober zurück: Da hatte Hettling durchgesetzt, daß zusätzliche, vom Senat nicht abgsegnete Stellen, bewilligt werden. Als Kunick sich ob dieser Entwicklung mit seinem Senatsdriektor beriet, brüllte Hettling dazwischen, der Senator solle das Tricksen lassen. Kunick wies „entschieden zurück.“ Ein richtiges Protokoll der Sitzung konnte die Deputation Donnerstag nicht verabschieden, denn der Senator setzte unter das Ergebnisprotokoll den Vermerk, daß die

ses Protokoll nicht genehmigt werde, wegen Verstoß gegen Senatsbeschlüsse. Worauf sich nun Hettling weigerte, das Protokoll zu unterzeichnen.

Die Nicht-SPD-Mitglieder haben das Hick-Hack reichlich satt. Meint der Grüne Manfred Schramm: „Die SPD mißbraucht ihre absolute Mehrheit für personelle und taktische Spielereien.“ Noch deutlicher wird CDU-Sprecher Gassdorff, seit 1971 in der Deputation: „Irgendwann hat man die Schnauze voll. Offensichtlich glaubt Hettling immer noch, daß er Hafensenator wird. Vielleicht ist seine frühere Tätigkeit im Bundestag an dieser Betrachtungsweise schuld.“ Gassdorffs Kurzcharakteristik: „Senkrechtstarter mit Karriereknick.“ Und zur Sitzungsatmosphäre: „Die Sitzungen sind aufgrund der Spezies Hettling oft schlicht zum Kotzen.“

Ähnlich mag sich Bausenator Kunick vorgekommen sein, als er von den Ergebnissen der Baudeputation erfuhr. Dort hatten die Genossen sein ÖPNV-Konzept teilweise gekippt. Tenor: Ein paar kleine Maßnahmen schneller, dafür billige Busse statt neuer Bahnstrecken.

Holger Bruns-Kösters