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Mit aufrichtigen Grüßen

■ ...geben immer mehr DDR-Künstler ihre Orden und Preise an den Staat zurück

Angefangen hatte es mit dem Dresdner Trompeter Ludwig Güttler: Letzte Woche gab er seine 1979 und 1985 verliehenen Nationalpreise an Egon Krenz zurück. Ein Ende ist nicht abzusehen: Preise zurückgeben ist derzeit Mode in der DDR. Am Dienstag hat der Leipziger Maler Bernhard Heisig an Modrow geschrieben, mit der Bitte, ihm die Nationalpreise 2. Klasse (1972) und 1. Klasse (1978) wieder wegzunehmen. Die insgesamt 70.000 Mark sollen Diplomanden der Leipziger Grafik-Hochschule als Starthilfe zur Verfügung gestellt werden, „und zwar nicht gestaffelt nach Leistung“. Auch der Opernsänger Theo Adam, derzeit zu Gast in München und empört „über die jetzt bekannt werdenden Machenschaften einer korrupten Staatsführung“, will seinen „Stern der Völkerschaft“ nicht mehr haben. Der Schriftsteller Martin Viertel wiederum wird seine „Verdienstmedaille der DDR“, den „Vaterländischen Verdienstorden“ in Bronze und Silber und den „Orden Banner der Arbeit Stufe 1“ der Regierung postwendend retour schicken. Begründung: “...vereinbart es sich mit meinem Gewissen nicht länger, Träger von Ehrenzeichen zu sein, die ich aus den Händen degenerierter Staatsmänner erhalten habe.“ Fehlt nur noch Heiner Müller.

Fragt sich, wo die Herren Künstler ihr Gewissen in den Jahren 72, 78, 79 und 85 hatten. Oder wollen sie im Ernst Glauben machen, sie hätten von der Degeneration ihrer Staatsmänner auch nicht die leiseste Ahnung gehabt? Lediglich der Regisseur Wolfgang Engel und der Schriftsteller Günter de Bruyn hatten ihre schon Anfang Oktober verliehenen Nationalpreise erst gar nicht angenommen. Ablehnungen zur rechten Zeit bleiben die Ausnahme. Man beißt nicht die Hand, die einem gibt - eine DDR-Weisheit ist das allerdings nicht, sondern anerkannte Regel im internationalen Preisgeschäft.

chp

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