: Ein ungeschenkter Gaul
■ „No-Gift-Festival“ im Lagerhaus / Tanz-Video-Lyrik-Musik
Nichts geschenkt werden sollte den BesucherInnen des No -Gift-Festivals an zwei Tagen im Lagerhaus Schildstraße. Nur Eingeweihte konnten aber wissen, daß sich der Titel auf den Geburtstag einer der Veranstalter und ein bißchen auch auf Weihnachten bezog. Im Nachhinein war offensichtlich, daß auch den Bremer KünstlerInnen wenig geschenkt wurde, zumindest wenn sie am Anfang des Abends auftreten mußten. Erscheinen vor zehn Uhr gilt dem Publikum immer noch als unfein.
Eindeutige Verlierer in dieser Hinsicht waren das Frauen -Duo Lisa und Lea und das Jazz-Lyric-Trio Logos, die vor einer Handvoll Menschen auftreten mußten. Der minimalistische Gitarren-und Vokalvortrag von Lisa Bahrenkamp und Lea Saby von den Scraps, begleitet von einem Drumcomputer, und die aberwitzige Vertonung der Texte des ehemaligen Philosophie-Professors Hermann Wilhelm Schmidt paßten in das Konzept der Veranstaltung. Verschiedene Kunstrichtungen sollten aus ihren „Szene-Ecken“ herausgeholt und mit
einander verbunden werden, so der Mitorganisator Andre Szighety. Schmidts „Bremerhaven Rhapsodie“ geriet zum herausgebrüllten Sprachvergnügen mit Schlagzeug-und Baßbegleitung: “...submaritim leuchtet es im Orangensaft“. Alles klar?
Die Tanzperformance von Carmen Rita Maria, die es fertigbrachte, auf einer schmalen Theke in Strümpfen nicht auszurutschen, hatte zudem Besonderes zu bieten. Der mörderische Afrobeat vom Computer gehörte zu den Highlights des ersten Abends. Nach den Sweethards, einer neuformierten Bremer Band, war es Maestro Frank Zappa (auf Video und Band) vorbehalten, Altbewährtes in die Ohren des Publikums zu rammen.
Der Höhepunkt des zweiten Abends war der Auftritt der musikalisch wie technisch zur Bremer Spitze zählenden Shizzo Flamingos. Das Quintett (dr; sax; voc, kb; git, b), das sich so rar macht, gab sich weiter gereift und sollte bald ihre Version eines harten Psycho-Rocks weit über Bremens Grenzen bekannt machen. Selten hatte eine Band aus der Region
derart gute Chancen.
Das Ärgernis der beiden langen Nächte bereitete die vollmundig angekündigte „Video-Anti-Oper“ des Amerikaners Robert Ashley. Als roter Faden gedacht, erwiesen sich die insgesamt sieben Episoden als Langweiler. Mit ewig gleicher Struktur zog sich das 1983 produzierte Werk dahin. Enervierend stereotype Computer-Animationen, plätschernde Endlos-Klavierläufe und das aufdringliche Geplapper des Komponisten erschienen eher als Bruch des Veranstaltungsablaufes denn als Verbindungsstücke.
Die Konzeption deratiger interdisziplinärer Festivals steht und fällt mit der Akzeptanz des Publikums, das wurde im Lagerhaus wieder einmal deutlich. Jeder noch so gute Gedanke wird der Beliebigkeit ausgeliefert, wenn es an der Bereitschaft zur aktiven Auseinandersetzung mangelt. Folgende Planungen sollten das berücksichtigen, sonst behält die alternative Kultur in Bremen den Beigeschmack, den die KünstlerInnen so gern verlieren möchten: Den der Provinzialität. Jürgen Franck
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