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Die Mauer als reizvoller Werbegag

Dicht: Zwei Stasi-Bezirksämter / Weg: Die neue alte FDGB-Vorsitzende / Fies: Tierquälerei / Billiger: Weihnachtsmänner  ■ E R E I G N I S D D R

Und wieder ein Novum: Zum ersten Mal sind jetzt zwei Bezirksämter für Nationale Sicherheit dichtgemacht worden. Die Nachfolgebehörden des gefürchteten Stasi in Neubrandenburg und Suhl stellten am Samstag den Betrieb ein, wie es am runden Tisch beschlossen worden war. Der Leiter des Amtes in Gera, Trostdorff, zeigt sich von dieser Entwicklung nicht entzückt. Der Grund: eine „zunehmende Tendenz neofaschistischer Ausschreitungen“. In Ost-Berlin wird das ehemalige Stasi-Gebäude seit Freitag abend von der Volkspolizei geschützt, damit keine „unbefugten Personen“ eindringen.

Auch dies war vom runden Tisch befürwortet worden. Ein anderes Novum aus dem Bereich der Sicherheit: Die Berufssoldaten der DDR wollen eine eigene Interessenvertretung gründen, die auch Reservisten und interessierten Bürgern offenstehen soll.

Kein Novum mehr ist dagegen die anhaltende Rücktrittswelle, die am Samstag erneut den Gewerkschaftsbund FDGB erfaßte.

Annelies Krimmel, die erst Anfang November zur Nachfolgerin von Harry Tisch gewählt worden war, schmiß das Handtuch. Ihr war vorgeworfen worden, daß der Untersuchungsausschuß zur Aufdeckung von Amtsmißbrauch noch nicht arbeite und der FDBG Tag für Tag Mitglieder verliere. Nachfolger wurde der IG -Druck-und-Papier-Vorsitzende Werner Peplowski.

Herbe Vorwürfe regnete es auch gegen den ehemaligen Erfurter Zoodirektor, der in die BRD ausgereist ist. Durch seine Sammel- und Renommiersucht seien immer mehr Tiere in zum Teil ungeeigneten Anlagen bis zur Tierquälerei zusammengepfercht worden, schrieb das 'Thüringer Tageblatt‘. Die Hälfte der Tierpfleger habe deswegen gekündigt.

Pläne zur Zukunft beider deutscher Staaten haben nicht nur hüben, sondern auch drüben Konjunktur. NDPD-Chef Hartmann legte am Wochenende einen Acht-Punkte-Katalog als Antwort auf den Kohl-Plan vor. Über eine gemeinsame Länderkammer und einen gemeinsamen Rat beider Parlamente soll der küftige Staatenbund schließlich durch einen gemeinsamen Präsidenten von internationalem Rang, beispielsweise Weizsäcker, gekrönt werden.

Freuen dürfen sich die DDR-BürgerInnen über eine neue Wochenzeitung des Neuen Forums, die demnächst in einer Auflage von 100.000 Exemplaren erscheinen soll. Ein Termin steht noch nicht fest.

Weitermachen will Rechtsanwalt Dr. Vogel, der wieder ein Mandat der Regierung übernommen hat. Modrow habe ihn überzeugt. Vogel verspricht, bis Ende des Jahres gibt es keine politischen Gefangenen mehr.

Und die Schleckermäuler werden es begrüßen, daß die Nikoläuse aus Schokolade billiger werden. Im Januar soll es dann erstmals einen Winterschlußverkauf geben.

Gut fürs Geschäft ist im Westen weiterhin die Mauer. US -Firmen nutzen sie derzeit gerne als Kulisse für ihre Werbespots.

Zu einer Aktion besonderer Art kam es am Sonntag in Bottrop. Dort feierten 40 Bergleute aus Merseburg mit 2.000 Kumpels in ihrer westdeutschen Partnerstadt gemeinsam eine Messe zu Ehren der Heiligen Barabar, der Schutzpatronin der Bergleute. Thema der Predigt: Sicherheit der Arbeitsplätze in Ost und West.

b.s.

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