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Die Mühe, Lehm für Gold zu verkaufen

■ Zwischen loyalem und „eigentlichem“ Franke: Bremer Kulturpolitik im Stande der Mängelverwaltung / Interview mit der grünen Kulturpolitikerin Helga Trüpel

taz: Die Grünen und jetzt auch die CDU verlangen die Anhebung des Bremer Kulturetats auf 3 % des Gesamthaushalts. Wieviel wäre das absolut?

Helga Trüpel: Wir haben jetzt knapp 80 Mio. Kulturetat, ohne Bildung und Wissenschaft. Wie

man auch hin- und herrechnet, 3 Prozent wären eine Verdoppelung dessen, was wir jetzt haben, 200 Mio. aufwärts. Das ist noch utopisch, aber es müßte wieder unverplantes Geld da sein, z.B. ein Fond von 10 Mio. für Projekte, die bis jetzt kümmerlich mit

den 2.3 Mio. Lottogeldern bestückt werden, so daß man überhaupt wieder Phantasien realisieren könnten. Es müßte auch eine Möglichkeit geben, ein großes Ost-West-Kulturfest mit Partnern aus der DDR den Sommer über zu machen. Da könnte Bremen wirklich mal was Neues machen, auf noch anderer Ebene als der der Städtepartnerschaften, etwas, wo sich wirklich auch Menschen begegnen würden.

Kultur als Standortfaktor

Senator Franke hat vor der Wahl 1987 den Kulturentwicklungsplan vorgelegt. Der sieht eine Steigerung der Kulturausgaben von 74 Millionen im Jahr 1986 auf 94 Mio. im Jahr 1995 vor. Wenn der Senat dieses Konzept nicht absichere, hatte er damals hintergrundsgesprächig mitgeteilt, sei mit ihm, Franke Kulturpolitik in Bremen nicht zu machen. Der Senat hat nichts abgesichert, und Franke hat seine Rücktrittsdrohungen seitdem wiederholt. Aber was hat er konkret getan? Für welche Mittel hat er im Haushalt 90 gekämpft?

Ich weiß nur, daß er für dieses Jahr ganz stark auf eine Aufstockung gehofft hatte. Das ist nicht passiert. Das einzige ist: Es gibt Mittel für das Neue Museum Weserburg und für die Renovierung des Gerhard Marks-Hauses, eigentlich alles Mittel, die schon in den letzten Jahren eingeplant waren. Das Kalkül, mit dem er Projekte wie Kreml-Gold und Musikfest befürwortet hat, war, daß er damit auch die Wirtschaftsleute im Senat überzeugen kann. Im Sinne: Kultur ist ein Standortfaktor, und mit Kultur kann man Geld

machen. Dieses Kalkül ist nicht aufgegangen. Vielmehr mußte er den Kulturetat, wie er ist, als Erfolg verkaufen, weil es eine Variante in den Senats-Plan-Spielen gab, den Kulturetat noch weiter einzuschränken. Die Erreichung dieser Plusminus Null, die für ihn persönlich eine Niederlage war, mußte er als kulturpolitischen Erfolg ausgeben. Er hätte jetzt weiter rumlaufen müssen und aus

Lehm Gold machen. Irgendwann war er dann selber wohl nicht mehr so überzeugt, daß er so ein großer Alchimist war.

Das ist alles so ein Geraune. Wieviel hatte er denn mehr gefordert?

Ich wüßte auch gerne, was er da eigentlich an konkreten Forderungen hatte. Dann hätte man sich auch darauf beziehen können. Er hat in den meisten Situationen im

letzten Jahr die Achseln gezuckt und gesagt: Ich komme damit nicht durch. Er kämpfe in der eigenen Partei auf verlorenem Posten, das seien halt Kulturbanausen. Es gibt auch zwei Frankes, den einen loyalen Franke, der eine Kulturpolitik vertritt, wo ich den Eindruck habe, selber hätte er das so nicht angeleiert. Und dann gibt es den „eigentlichen“ Franke mit den guten Vorstellungen im Kopf, mit denen er nur nicht durchdringt. Vielleicht ist das konsequent, daß beide jetzt zurücktreten und der freie Privatmann wieder das sagen kann, was er eigentlich denkt.

Was wünschst Du Dir von der nächsten Kultursenatorin?

Es darf auf keinen Fall mit dieser Mängelverwaltung weitergehen. Sie dürfte nicht in Frankes Fußtapfen treten und so weitermuckeln. Sie müßte die Übernahme des Amtes an klare Bedingungen knüpfen. Dazu gehört mehr Geld. Dazu gehört ein Senatsdirektor, am besten eine Direktorin, für Kultur, das gibt es nämlich nicht. Und die neue Senatorin sollte sich möglichst oft bei der Initiative der Shakespeare Company „Lebendige Stadt“ sehen lassen.

Interview: Uta Stolle

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