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Mit Zittern und Zagen

■ „Systemtechnik Nord“: MBB-Rüstungsbauer bangen um die Rente / Lebensfähig nur bei Konversion

Wer bisher bei MBB für den Krieg gearbeitet hat, muß sich nun Sorgen um die eigene Zukunft machen. Schon zum kommenden Neujahrstag wird der Bereich „Marine- und Sondertechnik“ aus dem Unternehmen ausgegliedert, und im kommenden Jahr mit Rüstungsabteilungen der Daimlergruppe verschmolzen. „Systemtechnik Nord“ soll die neue Firma heißen. Sie ist ein Ab

fallprodukt der Elefantenhoch zeit von Daimler und MBB. Neuer Hauptanteilseigner der „Systemtechnik“ ist Krupp. Juniorpartner: Bremer Werften und Matra.

Wer von einer Herrschaft an die andere verkauft wird, wer weiß, ob er es nicht schlechter trifft. Die Betriebsräte von MBB fordern deshalb von ihren alten Herren, daß sie die sozialen Rechte der Mitarbeiter festschreiben, besonders deren betriebliche Rentenansprüche. Wenn das nicht gelingt, so der Sekretär der Deutschen Angestelltengewerkschaft (DAG) Hartmut Frensel gestern vor der Presse, würden die Arbeitnehmer ihre erworbenen Rechte mit dem Übergang zu „Systemtechnik Nord“ verlieren. Die Sache drängt, denn schon am kommenden Montag treffen sich Verkäufer (MBB) und Käufer (das Konsortium der Systemtechnik Nord), um über einen Punkt zu verhandeln, über

den die Vorstellungen noch weit auseinandergehen: den Preis. Dabei ist dem neuen Herrn besonders wichtig, wie teuer ihn seine neuen Knechte kommen. MBB-Betriebsrat Peter Zimmermann (IG Metall): „Wenn das Konsortium unseren sozialen Besitzstand garantiert, dann muß ihm der Unternehmensbereich entsprechen billiger kommen“.

Drei Rüstungsschmieden sollen zum 1. April 1990 zusammengelegt werden: Die von MBB, von Daimler-Telefunken mit Produktionsstätten unter anderen in Wilhelmshafen, Hamburg und Vegesack, und die von Krupp-Atlas-Elektronik in Bremen. Von Krupp sollen die Kommandos über die neue Firma kommen: Krupp-Chef Triebold hat als Gast auf der MBB -Betriesbversammlung in der letzten Woche klargemacht, daß sein Konzern die „Führerschaft“ anstrebt. Schlechte Aussichten für die MBB-Rüstungsbauer, meint

DAG-Frensel: „Der soziale Besitzstand bei Krupp ist weit dürftiger als heute bei MBB“. Aber nicht nur das: Bei der Verschmelzung der Firmen werden sicher Kapazitäten, sprich Arbeitsplätze über sein, meint MBB-Betriebsrat Zimmermann. Und die Lebensfähigkeit der neuen Kriegsfirma in einer Welt, die friedlicher wird? Auch da haben die Gewerkschafter kein gutes Gerfühl. Peter Zimmermann: „Die haben nur eine Chance, wenn sie auf zivile Produkte umsteigen.“ Deshalb fordern die Gewerkschafter, daß die Arbeitgeber einen Sozialfond bilden, aus dem die Abfindungen bei zukünftigen Rausschmissen finanziert werden. Am kommenden Donnerstag werden Betriebsräte und MBB-Chefs wieder verhandeln, aller Vorraussicht nicht allein. Die zukünftigen Beschäftigten der „Systemtechnik Nord“ wollen während der Verhandlungen an die Tür bummern.

mw

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