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PKK als Sündenbock

Starke Zweifel an Berichten über die Urheberschaft der PKK an einem Massaker an Kurden / Rivalisierender Stamm ist der Tat verdächtig  ■  Aus Istanbul Ömer Erzeren

„PKK-Massaker. Die Verräter drangen ins Dorf Ikiyaka ein und mordeten barbarisch 21 Menschen.“ „PKK - Barbarei: Terroristen töten Frauen und Kinder.“ So meldeten türkische Zeitungen am 26.November ein Blutbad im Dorf Ikiyaka, das 500 Meter von der irakischen Grenze entfernt liegt.

Eine amtliche Erklärung der Ausnahmerechtsverwaltung Diyarbakir war die einzige Informationsquelle: „Terroristen eröffneten Feuer im Norden des Dorfes, das die Milizen erwiderten. Daraufhin griffen die Terroristen mit Maschinengewehren und Handgranaten Häuser im Süden an und mordeten auf grausame Art und Weise Frauen und Kinder.“ Ungeprüft verbreiteten auch ausländische Agenturen die Meldung, obwohl die PKK ihre Beteiligung an den Vorfällen dementierte.

Die jüngste Ausgabe des türkischen Nachrichtenmagazins '2000'e Dogru‘ läßt erhebliche Zweifel an der amtlichen Version aufkommen. „Alles Lug und Trug, was der Innenminister und der Gouverneur im Fernsehen erzählt haben“, melden sich erstmalig Familienangehörige der Verstorbenen, Salih Aykut und Tevfik Aykut, zu Wort: „Hier wird alles auf die PKK geschoben, selbst wenn ein Huhn getötet wird.“ Zwei der getöteten Familienmitglieder gelten sogar als Sympathisanten der PKK. Ähnliche gezielte Falschmeldungen waren schon früher gestreut und widerlegt worden.

Die getöteten Familien gehörten dem kurdischen Stamm der Oraman an, der im wesentlichen vom Schmuggelgeschäft im Länderdreieck Iran, Iak und Türkei lebt. In einem Geheimpapier des türkischen Nachrichtendienstes sind sie als „aufständlerisch“ gebrandmarkt. Der Nachbarstamm der Pinyanis wird dagegen in dem Papier als „staatstreu“ gelobt. Während die Oraman es ablehnten, in die Dorfmilizen des türkischen Staates einzutreten, lebt der Stamm der Pinyanis von der Institution der Dorfmiliz. Stammesführer Mustafa Zeydan unterhält 600 bewaffnete Männer und kassiert dafür reichlich vom türkischen Staat. Ihm werden enge Beziehungen zum türkischen Geheimdienst nachgesagt. „Der Terror ist für den Pinyanis Stamm zur Haupterwerbsquelle geworden“, schrieb ein hoher Beamter aus der Provinzstadt Yüksekova dem Abgeordneten Güneyt Canver noch vor dem Massaker.

Gemeinhin wird in der Region angenommen, daß Zeydan für das Massaker verantwortlich ist und später in Zusammenarbeit mit dem Militär die Vorfälle der PKK zugeschoben hat. Journalisten und oppositionellen Politikern wird der Zutritt zum Ort des Geschehens verwehrt.

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