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Student verurteilt

■ Während der FU-Blockade im letzten Wintersemester habe er angeblich „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ geleistet

Der Psychologiestudent Jürgen M. wurde jetzt vom Amtsgericht Moabit verurteilt, weil er sich im letzten Wintersemester an Protestaktionen der Studentenschaft beteiligt hatte. Die Richterin sah es als erwiesen an, daß er während der Blockade einer Sitzung des Akademischen Senats im Februar Beamte tätlich angegriffen und Widerstand gegen seine Festnahme geleistet habe. Am vergangenen Mittwoch hatten die Polizisten ihre Aussagen der Richterin und dem Staatsanwalt vorgetragen. Der Student habe einem in die Lederjacke gebissen, einem anderen in den Finger und einen weiteren vors Schienbein getreten. Dies alles in „fanatischer Erregung“, wie es in den Ermittlungsergebnissen heißt. Am letzten Verhandlungstag waren die Zeugen der Verteidigung geladen. Sie hatten nichts von einer tätlichen Handlung Jürgen M.s bemerkt, und das, obwohl zwei von ihnen im Gewühl neben ihm standen. Nach ihren Aussagen hätten Polizeibeamte Jürgen M. von hinten gepackt, wobei er seine Brille und seine Zahnprothese verlor. Er sei gestürzt und dann von Beamten an Armen und Beinen festgehalten worden. Der Staatsanwalt sah durch diese Aussagen die der Beamten nicht widerlegt. Er forderte fünf Tagessätze a 10 DM. Die Richterin schloß sich seiner Forderung an, obwohl das die Frage, wie Jürgen M. seine Zahnprothese verlor - durch das Zupacken der Beamten oder durch einen Biß in eine Lederjacke -, offenließ. Einen weiteren Zeugen, den Vizepräsidenten der FU, Professor Erbe, hatte die Richterin als Zeugen abgelehnt. Er hätte zum Anklagepunkt nichts aussagen können, obwohl er sich kurz vor der Festnahme noch mit Jürgen M. und anderen Studenten, die auch blockierten, unterhalten hatte. Jürgen M. wird in die Berufung gehen.

Anke Gottschalk

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