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Bonbon für DDR-Pauker

Hessen und Nordrhein-Westfalen bevorzugen Lehrer aus der DDR bei Neueinstellungen  ■  Von Vera Gaserow

Berlin (taz) - Was unter arbeitslosen LehrerInnen seit langem als Gerücht die Runde macht, liegt nun schwarz auf weiß auf dem Tisch: Bei der Neueinstellung in den Schuldienst werden zumindest in Nordrhein-Westfalen und in Hessen Übersiedler aus der DDR und Spätaussiedler aus Osteuropa bevorzugt. Beide Bundesländer haben zwar keinen Beschluß förmlichen gefaßt, daß die Pädagogen aus dem Osten vorrangig eingestellt werden müssen. Jedoch sorgen geänderte Einstellungs- und Auswahlverfahren formal und auch faktisch dafür, daß insbesondere die LehrerInnen aus der DDR an der Endloswarteschlange ihrer bundesdeutschen Kollegen vorbeiziehen.

Das Nordrhein-Westfälische Kultusministerium hat mit Runderlaß vom 24. November 1989 festgelegt, daß sogenannte Vordienstzeiten, sprich Berufserfahrungen, auch aus der DDR mit einem Punktebonus beim Auswahlverfahren honoriert werden. Dieser Bonus für die Vordienstzeit gilt zwar auch für bundesdeutschte Lehramtsanwärter, faktisch profitieren jedoch in erster Linie die aus- und übersiedelnden Pädagogen von dieser Regelung, denn das große Heer der arbeitslosen LehrerInnen in der Bundesrepublik hat meist keine langjährige Berufserfahrung vorzuweisen. „Wenn sich jetzt in Nordrhein-Westfalen hundert LehrerInnen aus der DDR bewerben, haben Neubewerber aus dem eigenen Bundesland faktisch keine Chance mehr“, schimpft Heise vom GEW -Vorstand.

Was in Nordrhein-Westfalen beschlossene Sache ist, ist in Hessen ein heimlich schon vollzogener Plan. Ohne die rechtlich vorgeschriebene Zustimmung des Hauptpersonalrats hat Hessens Kultusminister Wagner neue Einstellungsvordrucke an die rund 9.000 Lehramtsbewerber seines Bundeslandes verschicken lassen. Unter Punkt 26 des Formblattes heißt es explizit: „Spätaussiedler und DDR-Übersiedler mit mehrjähriger Berufserfahrung, die älter als 40 Jahre sind, können unter gleichrangigen Bewerbern vorrangig eingestellt werden.“ Gleichzeitig regeln die neuen Einstellungsrichtlinien, daß eine lange Wartezeit auf einen Arbeitsplatz nicht mehr als Bonus gewertet werden soll und auch pädagogische Berufserfahrung außerhalb des Schuldienstes soll keine Pluspunkte mehr auf der Bewerberskala einbringen. Tatsächlich ist es alleinige Sache der Kultusministers, wie sie mit LehrerInnen aus der DDR und Osteuropa umgehen. Förmlich geregelt ist nur, daß LehrerInnen, die ihr Examen außerhalb des jeweiligen Bundeslandes gemacht haben, ihr Zeugnis vom Ministerium anerkennen lassen müssen. In West-Berlin müssen DDR-Lehrer trotz Berufserfahrung noch Praxiserfahrung machen, bevor sie unterrichten dürfen. Pikantes am Rande: viele der jetzt so gern gesehehen Lehrerinnen haben in ihrer Heimat einen linientreuen Marxismus-Leninismus unterrichtet, der ihnen bei uns glatt ein Berufsverbot eingebracht hätte.

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