: Zensur ade!
■ E R E I G N I S D D R
Auch nach dem SED-Parteitag bleibt das Neue Forum mißtrauisch, was die da oben so treiben, und möchte bei wichtigen Entscheidungen Mäuschen spielen. Die Oppositionsgruppe fordert einen Beobachterstatus in den Volkskammerausschüssen, um zu verhindern, daß vor den Wahlen unumkehrbaren Entscheidungen hinter verschlossenen Türen getroffen werden. Unzufrieden mit den herrschenden Verhältnissen sind auch die SED-Frauen. Eine Initiativgruppe für eine Frauen-AG in der „neuen“ SED fordert die Quotierung aller Funktionen in der Partei. Abtreten, Herrschaften! Ungeduldig wird auch Rainer Eppelmann vom Demokratischen Aufbruch. Wegen der fehlenden Legitimation des Kabinetts hat er vorgeschlagen, eine Übergangsregierung zu bilden. Potentielle Mitglieder: de Maiziere (CDU), Böhme (SDP), Schnur (DA), Bohley (NF), Christa Wolf und von der SED Gysi, Modrow, Berghofer.
Grenzüberwindendes Denken zieht beim Militär ein: Anfang nächsten Jahres wollen sich hohe Offiziere der Bundeswehr und der NVA zu einem sicherheitspolitischen Gespräch in Dresden treffen. Ganz dem alten Denken verhaftet waren gestern DDR-Grenzbeamte in Berlin, die zwei Gäste abwiesen: Lynni Jones, die Vorsitzende der in London ansässigen Bewegung für atomare Abrüstung in Europa (END), und Tamas Mastnak, einen slowakischen Intellektuellen.
Nicht zu den Vereinigern gehört Stephan Heym. Der Schriftsteller warnte, der Streit über einen Zusammenschluß könne zu bürgerkriegsähnlichen Unruhen in der DDR führen. Er schlug eine Art Bürgerrat mit Teilnehmern aus beiden deutschen Staaten vor, der alle 14 Tage in einem Fernsehgespräch „alle Probleme der Nation“ erörtern solle. Für einen Mittelweg in der Vereinigungsfrage sprach sich die Grüne Partei der DDR aus. Sie will sich nach den Wahlen für eine Konföderation bei voller Souveränität beider Staaten einsetzen.
Geradezu vorbildlich für den Westen nimmt sich der weitere Abbau der Stasi-Behörden aus. Mehrere Kontrollstellen in den Haupt- und Bahnpostämtern wurden bereits geschlossen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen