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Wo bitte geht's nach Nord?

■ Verkehrskonzepte für Vegesack: Fly over oder rail on to the ass of the world

„Wir sitzen in Bremen-Nord am Arsch der Welt“, erboste sich ein Zuhörer am Montagabend im Bürgerhaus Vegesack. Anlaß des unmanierlichen Ausfalles: Eine Podiumsdiskussion zur Verkehrsproblematik in Bremen-Nord. Erschienen waren: Helmut Pflugradt (CDU), Georg von Groeling-Müller (FDP), Günter Rockel (Grüne) und Rainer Frankenberg (SPD) sowie rund 40 ZuhörerInnen.

Vor allem die Verbindungen zur Stadtmitte müßten verbessert werden, meinten übereinstimmend alle Parteienvertreter. Rainer Frankenberg, II. Vorsitzender der Nord-Bremer SPD: „In der Verkehrssituation sitzen wir alle in einem Boot.“ Nur beim „Wie“ schippert jede Partei naturgemäß für sich.

Während die übrigen Parteienvertreter einträchtig einen „Fly Over“ über den Ihlpohler Kreisel von der B74 auf die A 27 fordern, setzen die Grünen z.B. auf kürzere Taktzeiten bei den Zügen zwischen Vegesack und dem Hauptbahnhof. Außerdem, so die Grünen, müßten die Züge nachts öfter fahren. „Es kann doch nicht

angehen, daß der letzte Zug vom Hauptbahnhof nach Vegesack um kurz nach eins fährt. Danach ist Bremen-Nord vom Rest der Welt abgeschnitten“, beklagte sich der rgüne Günter Rockel.

CDU-Abgeordneter und Fly-over-Fan-Pflugradt dagegen: „Ohne den Ausbau der Eckverbindung B74/A27 läuft von und nach Bremen-Nord gar nichts.“ Ferdinand Willenberg, Vorsitzender der „Bürgerinitiative gegen jeglichen Ausbau des Ihlpohler Kreisels“ lief dagegen Sturm: „Seit 1969 kämpfen wir gegen dieses Monstrum. Fahren Sie mal morgens über die Autobahn nach Bremen. Der Stau beginnt schon heute hinter der Lesumbrücke und zieht sich hin bis zur Abfahrt 'Freihäfen‘. Mit dem „fly over“, so Willenberg, würden nur noch mehr Autos auf die Autobahn gezogen.

Dagegen brachte Rainer Frankenberg (SPD) ein Stadtbahn -Modell in die Debatte, das ich bereits in Karlsruhe bewährt habe: Eine durchgehende Stadtbahn, die ganz Bremen von Farge bis über die Innenstadt hinaus verbindet. Sie würde sowohl auf der

-1961 für den Personenverkehr stillgelegten - Strecke der Farge-Vegesacker Eisenbahn als auch auf dem Schienennetz von DB und BSAG verkehren. Rainer Frankenberg:“ Ich könnte mir vorstellen, damit von Farge bis zur Obernstraße zu fahren.“ Forderung an den Senat: Ein Gutachten zur Realisierbarkeit des Konzeptes.

Wolfgang Fastenau vom BUND verlangte vom Senat die rasche Umsetzung von Sofortmaßnahmen, zum Beispiel die Ausweitung des S-Bus-Angebots. „Morgens läuft der S-Bus auf den Linien 70/71 und 74 gut. Warum können die Pendler nachmittags nicht genauso schnell wieder zuhause sein ?“ Was ganz anderes schlug Helmut Pflugrad vor: Eine durchgehende Zugverbindung von Vegesack bis nach Verden. Pflugradts Angebot zur Güte und zur privaten CO-Reduktion: „Wenn der Senat innerhalb von fünf Jahren ein tragfähiges ÖPNV-Konzept zustande bringt, in dem auch Bremen-Nord besser berücksichtigt wird, verzichte ich für ein Jahr auf mein Auto.“

Ulf Buschmann

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