: Ryschkow schlägt Ost-EG vor
■ Sowjetischer Ministerpräsident für Einführung konvertibler Währung und Weltmarktpreise in Osteuropa / Konsumgüter und Eigentum seien Schwerpunkt der Reform / Bot Gorbatschow seinen Rücktritt an?
Moskau (afp/ap/dpa) - Der sowjetische Ministerpräsident Nikolai Ryschkow hat gestern zur Erneuerung des Rats für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) aufgerufen und einen gemeinsamen osteuropäischen Markt mit frei konvertierbarer Währung und Weltmarktpreisen ab 1991 vorgeschlagen. In seiner Rede vor dem sowjetischen Volksdeputiertenkongreß umriß Ryschkow auch die Pläne für eine zweistufige Wirtschaftsreform, mit der die Produktion von Konsumgütern gesteigert und Vermögenswerte diversifiziert werden sollen. In der Rede über die Wirtschaftslage und die Regierungsvorhaben bis 1995 rief Ryschkow zur „Schaffung eines einheitlichen Marktes zwischen den RGW-Mitgliedern“ auf.
Dadurch könnten wieder normale Wirtschaftsbeziehungen der Ostblockländer zur UdSSR erreicht werden. Innerhalb des RGW, in dem außer den Staaten des Ostblocks Kuba, die Mongolei und Vietnam Mitglieder sind, wurde der Handel in Abwesenheit international anerkannter Preise bisher in übertragbaren Rubeln abgewickelt. Da diese eher eine Rechnungseinheit darstellen als eine gedeckte Währung, läuft der Austausch im RGW auf Tauschhandel hinaus. Die USA hatten die Sowjetunion bei dem amerikanisch-sowjetischen Gipfeltreffen in Malta Anfang Dezember aufgefordert, ihre Rohstoffpreise an die Weltmarktpreise anzupassen.
Zu den vorgeschlagenen Reformen der sowjetischen Wirtschaft erläuterte Ryschkow, die Konsumgüterproduktion solle im nächsten Jahr verdreifacht und danach in fünf Jahren um 40 Prozent gesteigert werden. Auch Steuerreformen sowie 1991 und 1992 schrittweise Preisreformen sollen nächstes Jahr für Unternehmen wie für die Privatpersonen eingeleitet werden. In der zweiten Phase der Reformen, 1993 bis 1995, soll die Vielfalt von Eigentumsformen entwickelt und die wirtschaftliche Konkurrenz angekurbelt werden. Ryschkow gestand zu, daß es wachsende Unzufriedenheit mit dem Tempo der Reformen in der Bevölkerung gebe. Dies sei jedoch auf Schwierigkeiten bei der Einführung neuer Formen des Managements zurückzuführen.
Der sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow hat einem Bericht der 'Moskau News‘ zufolge vor dem Plenum des KPdSU-Zentralkomitees am Samstag seinen Rücktritt angeboten. Gorbatschow habe sich von den Angriffen der Reformgegner „getroffen“ gefühlt, berichtete gegenüber der Zeitung der Abgeordnete des Volksdeputiertenkongresses und Schriftsteller Danil Granin, der als Gast an der ZK-Tagung teilgenommen hatte. Hohe Funktionäre der Partei hätten schwere Anschuldigungen gegen den Generalsekretär erhoben und ihm eine falsche Politik vorgeworfen, berichtete Granin.
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