: INTELLIGENZ IM SCHUTZANZUG
■ „Versteckte Technik - Inszenierte Technik“. Der Museumspädagogische Dienst ging der Frage von Technikpräsentation im Museum nach
„Müßte das Museum also nicht vor allem medienkritisch arbeiten, anstatt selbst wie die Medien zu verfahren, Messedesign zu kopieren & Werbefilme nachzuahmen oder aber anachronistisch eine nie existent gewesene Ursprünglichkeit gegen die 'böse‘ Medienwirklichkeit zu inszenieren? Müßten nicht all die Bildwelten, die sich vom technischen Gegenstand oder System längst gelöst haben & eine andere Sprache sprechen als diese, als Exponate ins Museum Eingang finden?„(Ursula Winter)
Zu einer Zeit, in der sich die Museumsmaschine in Echtzeit daran macht, die totale Inszenierung des Realen zu gestalten - ganze Stadtteile werden in ihrem Alltag zur Ausstellung deklariert - zielt obige Fragestellung auf einen Museumsbegriff, der, der bürgerlichen Aufklärung entsprungen, heute einem längst verlassenen Ruhepol gleicht. Was für ein Panorama: Während sich Inszenierung & Reales verknoten, Schleifen & Verdopplungen bilden, sieht man sich plötzlich einem echten Museum gegenüber, darin einem fraktalen Subjekt historische Brüche seiner Erlebniswelt vorgeführt werden.
Dieser Problematik ausweichend, bestimmte der Museumspädagogische Dienst den Standort deutlich (Die Technik - das Museum - & wir), um ihm dann in den Tagen der „interdisziplinären Diskussion am runden Tisch“ in allerlei Richtungen hin zu verlassen & ihn erst am Ende wieder anzuzielen. Übrigens war der Tisch tatsächlich rund, waren die Beiträge, die sich der Thematik Versteckte Technik Inszenierte Technik annahmen, in der Mehrzahl prägnant & akzentuiert, & produzierte die Diskussionsmaschine ganz außerordentlich.
Der Mensch als Störfall
Zunächst führte einer der Veranstalter, Werner Siebel, in seinem Vortrag vom Verhältnis des bürgerlichen Subjekts & technischer Zivilisation unerwartet vor, wie technischer & wissenschaftlicher Fortschritt zu Subjektverlust/Entsubjektivierung führen, „wie der Eigensinn des Menschen gebrochen & wenn nicht gebrochen, dann kontrolliert oder ersetzt werden kann.“ Erschreckend seine Analyse des Wandels vom „bürgerlichen Subjekt: autonom, souverän, rational handelnd“, das im „ökonomischen Irrsinn & Irrsinn der kontrollierenden Technik: den „Fortschritt“ (Credo der Moderne) zum „Mensch als Störfall & Risikofaktor“ gemacht hat. Der Beispiele sind gar viele; Atomkraftwerk, Bio-Tech-Labor & Mikrochip-Produktionsstätte, hier darf sich mensch nur noch in aseptischen Mogelpackungen bewegen. Gemäß der Einladungsvorgabe, die Beiträge seien als „Strukturierungshilfen“ zu verstehen, wähnte sich Siebel nicht im Besitz der Weisheit letzten Schluß, sondern vielmehr aus der Suche: „Der Mensch als Maßstab aller Dinge...Ich finde ihn nicht mehr.“ Was er fand: die „technische Bearbeitung der menschlichen Natur“, die in eine „industrielle Natur“ führe.
Leicht fiel es da Marie-Anne Berr in der anschließenden Diskussion klarzustellen, daß „all das, was einst Subjektivierungstechniken waren, sich in Entsubjektivierungstechniken verkehrten“, daß die Moderne die Prämissen für die Industriekultur lieferte. Jochen Hoberg, ein anderer Veranstalter, raunte, „wir müssen den Faktor finden, der zu Sprache werden läßt, was undurchschaubar scheint“ & beklagte, daß wir „nur durch Zerstören wahrnehmen.“ Wohl wahr, häckselt der Diskurs das „Undurchschaubare“ doch zunächst einmal in Klumpen, um das so voneinander Geschiedene sprachlich wahrnehmbar zu machen. Derweil das bürgerliche Subjekt im Museum, bereits leicht angegilbt, das Mantra seiner selbst brabbelt. Gerburg Treusch-Dieter, ebenfalls dem Kreis der VeranstalterInnen zugehörig, ging das Problemfeld Subjekt-Wahrnehmung-Sprache etwas konkreter an, sprach die „viralen Taxis“ an, „die im Körper biochemische Prozesse auslösen“ & nannte dies: „Phänomene, die mit unserem Begriffsapparat nicht mehr zu beschreiben, zu sagen sind, dennoch gemacht werden, die eine Erosion der Begrifflichkeit auslösen.“ Da blieb den Dieter Hoffmann-Axthelm, dem vierten im Bunde der Veranstalter, nur noch zu konstatieren, man möge sich „das Beobachten & Definieren offen halten“ & das autonome, souveräne Subjekt verschwand. Schade drum.
Die innere Maschinisierung
Günter Feuerstein, der folgende Redner, führte die Metamorphosen der Maschine ins (Sprachschlacht-)Feld. Dabei ging es ihm nicht um die Transformationen der technischen Artefakte, sondern die der Deutungsmodelle. Er begann bei der „klassisch-mechanischen Maschine“, deren „starre Kopplung & stoffliche Information“ in ihrer „Körperlichkeit, Funktionslogik & Absicht“ „Identität“ bilde. Demgegenüber habe die „Megamaschine“ als Organisationsform zwar noch ihre „stoffliche Basis im menschlichen Körper“, ihre Funktionalität jedoch im „Raum -Zeit-Gefüge“ als Arbeit, als Verwaltung, als bürokratisches System. Feuerstein erwähnte als weitere Entwicklung in „Richtung höherer Ordnung, Komplexität & Katastrophe“ „hybride Großtechniken, die sich transnational organisieren“, wie den Massentourismus, das Transplantationswesen & Wiederaufbereitungsunternehmen, die zwar auf einer technischen Infrastruktur aufbauen, in erster Linie jedoch als „soziale Handlungsanweisungen“ zu begreifen sind.
Dann ging es um die „Interpretation des Maschinenhaften“. In Anlehnung an Norbert Elias sprach Feuerstein von „Zivilisation“, deren „Erziehung sich in den Körper einschreibt“. Dies führe zu „Entsubjektivierung“, gleichzeitig aber auch zu „Identitätsbildung“, indem mensch sich in der allgemeinen Angleichung bei „Verdrängung des Körperlichen, Linearität & Abstraktion des Wahrnehmens & Denkens“ auf andere beziehen kann. Diese „innere Maschinisierung“ könne „nach außen“ getragen werden, als „Symbole von & für Wirklichkeit“, die „deshalb auf die Technik zurückwirken“. & so gelangte er schließlich folgerichtig zur „Maschine als Medium“, dem Computer, dessen „metaphysische & psychische“ Symbolfunktion ein/das „Menschenbild“ problematisiere. Abschließend wies Feuerstein auf das Phänomen hin, „daß Technologie zunehmend abstrakt diskutiert“ würde - sein Vortrag war da wohl auch gemeint & dabei „leider der stoffliche Zusammenhang vernachlässigt werde, die Beziehung zu bestehenden Psycho- & Soziotopen.“
Geld ohne Körper
Auch Bernhard Viefs Referat Digitales Geld, eine Geschichte des Geldes unter dem Blickwinkel der Semiotik, bewegte sich mehr im Rahmen des Abstrakten. Er erläuterte als wesentlich für die „Neuen Medien“ die „lichtgeschwinde Datenübertragung durch die Elektronik“ (Hardware) & die „universelle Verknüpfung dieser Daten durch den Binärcode“ (Software). Den Binärcode wollte er als „Universalcode“ verstanden wissen, dessen Eigenschaften des Tausches ihn dem Geld vergleichbar mache. „Die Bits sind zwar Geld, aber offensichtlich sind sie mehr als das, weil ihre Tauschbarkeit nicht in der Warenwelt endet. Die ökonomische Kategorie des Werts wird von einem Informationswert absorbiert. Kapitalbewegung als 'sich selbst verwertender Wert‘ (Marx) geht auf in 'reine Informationsbewegung‘ (McLuhan).“ „Geld“ sei mehr & mehr durch eine „Zeichenreferenz“ ersetzt worden: „Der ursprüngliche Goldwert wird auf einem Zettel 'notiert.'“ &: „Beim Übergang zum reinen Zahlungsmittel, also zu entwickelten Kredit- & Wechselformen, fungiert Geld nur noch als Verrechnungseinheit, als reines Giralgeld.“ Da Vief jedoch nicht die „frivole Auffassung einiger zeitgenössischer Franzosen teilt, die Realität lasse ihre Hardware fallen wie eine leichte Dame ihre Hüllen, um sodann in reinen Zeichen aufzugehen“, problematisierte er, ob „etwas Materielles durch etwas Immaterielles ersetzt werden“ könne. Auch „reines Verrechnungsgeld“ habe seine Basis im Materiellen, nämlich im Informationsträger & diese Hardware werde nicht „ersetzt“, sondern stattdessen „beschleunigt & verkleinert“. Schon Karl Marx bezeichnete „den Geldtausch als die Verdoppelung der Ware in Ware & Geld“. Dem steht heute die Verdoppelung des Geldes in Geld & Bits gegenüber: „Der Austausch von Bits verwandelt nicht mehr Produkte in Waren, sondern die Realität in Zeichen. Er zentriert Zeichen & Zeichenbenutzer um den Binärcode. Um dieses neue Zentrum gruppierten sich Sachen & Personen, so wie früher um das Geld.“
Es gibt allerdings einen fundamentalen Unterschied. Im Gegensatz zum herkömmlichen Geld, dessen „Bindung der Wertgröße an ein Metallgewicht oder an die Arbeitszeit“ noch auf dem Prinzip der Analogie & einem „individuellen Zahlbegriff“ beruht, baut das Bit-Geld, als „Übergang des Geldes vom Individualzeichen zum Universalzeichen, vom Wertmaßstab zum Binärcode“ nur mehr auf „reiner Differenz“ (zwischen 1 & 0) auf. „Erst wenn der 'Wert‘ keine strukturelle Ähnlichkeit mehr mit dem abgebildeten Gegenstand hat, ist ein abstrakter Zahlbegriff entwickelt, der jeden Inhalt fassen kann, sich diesem gegenüber völlig gleichgültig verhält & ihn erst dadurch austauschbar macht. Die ökonomische Kategorie des Wertes muß dazu jeden körperlichen Bezug verlieren, ja selbst ihren ökonomischen Charakter, & auf einen reinen Informationswert reduziert werden.“ Gut gesprochen.
Die Genmanipulation
der Arbeitsmaschinen
Sich noch im Rahmen von „Immaterialisierung & Inszenierung“ bewegend, ergriff Mitveranstalterin Ursula Winter das Wort. In ihrer Rede über den Blick hinter die Gegenständlichkeit wurde dann tatsächlich einmal die Beziehung von Technik & Museum als „Versuch einer wahrnehmungstheoretischen Perspektive auf das Technikmuseum“ thematisiert.
Winter forderte „endlich auch dort (im Museum) eine Auseinandersetzung mit Fragen der Ästhetik & mit der Geschichtlichkeit von Wahrnehmungsgewohnheiten & Kommunikationssystemen“ ein, die ihren „Eingang in die Präsentation von Technik“ zu finden hätte. Anhand verschiedener Beispiele der Ausstellung von Dampfmaschinen problematisierte sie eine dargestellte Behauptung einer Bedeutungshierarchie zwischen der Antriebsmaschine & den von ihrem Rhythmus abhängigen, durch sie synchronisierten Arbeitsmaschinen, die genaugenommen nur eine „Projektion der gesellschaftlichen Selbstwahrnehmung der neuen Unternehmerklasse gegenüber der Arbeiterklasse“ sei & zielte damit ins Herz nicht nur der Technikpräsentation, sondern des Museums überhaupt. Denn wer schließlich entscheidet über Gestaltung & Einbringung von Exponaten? Wird des Oggersheimers Gastgeschenk an Berlin, das Deutsche Historische Museum, anderes leisten als eine weitere Zementierung der Herrschaft & ihrer Wahrnehmung?
Diese Frage schwang mit, wenn Winter analysierte: „Während aber zur gleichen Zeit die Kunst jene Brüche im alten Weltbild & die Revolution der Wahrnehmung thematisierte, wurden Museen als Tempel der Technik errichtet, die den Mythos der Dampfmaschine als eine Art Urkraft der Moderne festschrieben“, worin sie treffend eine „Beglaubigung der bürgerlichen Fortschrittsapologie“ ausmachte. Um einerseits daher die Wahrnehmungsgeschichte „als keineswegs objektiv, sondern als Ergebnis einer bewußt erzeugten oder dem kulturellen Normensystem immanenten“, andererseits die zunehmend unsinnlichen neuen Technologien & ihre Kontexte darstellen zu können, plädierte sie dafür, „weniger Gegenstände als Bilder auszustellen, um all die Hoffnungswelten, Angstphantasien & Utopien, von denen die Wahrnehmung moderner Technik begleitet ist & die sich beim täglichen Medienkonsum über Krebsforschung, Aids, Genmanipulation und so weiter bilden, einander zu konfrontieren.“ Denn schließlich gehe es nicht darum, „die Unausstellbarkeit einer modernen Wirklichkeit zu postulieren, die sich im Pluralismus der Wahrnehmungsperspektiven bis zur absoluten Beliebigkeit relativiert“, sondern um „die mühsame Differenzierung zwischen all dem, was noch immer ein objektiv Vorhandenes, für alle gleich gültiges Faktisches im hochtechnisierten Industriekapitalismus“ ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen