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Permanente Vorrevolution bei Radio Bremen

■ Karola Sommereys Anweisungstil und Sparkonzept erbosen RB-„Programmvolk“, Dialogangebot vertagt Revolution

Der Druck stieg. „Wir sind das Programm“, drohte das Radio -Bremen-Hörfunkvolk auf Ansteckbuttons seiner Programmdirektorin. Das Murren über deren permanentes Re bis Deformprogramm steigerte sich bis zu dem Punkt, wo der Redakteursausschuß sich gegen Karola Sommereys Anweisungsstil mit der Vorbereitung eines Textes wehrte, der in ironisierter-aber-immerhin Rücktrittsforderung gipfelte. Vorrevolutionäre Geplänkel.

Radio Bremen muß etliche der - hochgerechnet 40 - Millionen einsparen, die ihm durch die Werbeeinnahmen der privaten (RTL 1 und SAT1) und öffentlichen Konkurrenz (ZDF) entgehen und die von der jüngsten Gebührenerhöhung nicht aufgefangen werden. Der Rundfunkrat sperrte 20 % aller Sach- und Personalausgaben, bis das Direktorium zum März 1990 ein Sparkonzept vorgelegt haben würde. Für den Hörfunk faßte die Programmdirektorin Karola Sommerey ihre Einspar-Konzeption ab 1991 in einem Brief an die Abteilungsleiter zusam

men. Darin schlägt sie vor: Beibehaltung aller vier Programme, für das 1. Programm „die noch stringentere Entwicklung der Hansawelle zum Tagesbegleitprogramm“, „großflächige, formatisierte Programmstrecken“ und dazu Abzug von kompeteten MitarbeiterInnen von anderen Wellen. Das ist vage, könnte aber konkret die Auflösung der gerade programmreformatorisch geschaffenen „Aktuellen Stunde“ in ein Fließprogramm bedeuten.

Für das 2. Programm: Zusammenfassung von „MitarbeiterInnen und Etats von Kultur, Bildung und Chefredaktion in möglichst nur einer Programmleiste“, worunter Mitarbeiter des Bildungsprogrammes seine Streichung vermuteten. Arbeitsauftrag für das 3. Programm: „Kostensparende Gestaltung eines musikalischen Unterhaltungsprogramms für ein älteres Publikum“ ohne „zusätzliche lokale/regionale Informationen“. Das könnte die Ausdehnung der computerbetriebenen Musikauswahl des 4. Programms auf das 3. bedeuten, mit Sicherheit bedeutet es die Rück

holung der gerade von Sommerey umgesiedelten „Rundschau„ -Redaktion aus der Hörerwüste ins 1. Programm. Das 4. Programm soll die gerade in der Nur-Musiköde wiederbelebten Wortbeiträge wieder reduzieren.

Der Sparzwang gibt Handhabe, offensichtliche Reformflops wie die In-die-Wüste-Schickung der „Rundschau“ zu revidieren, die Computer-Rationalisierung von Musikredakteurstätigkeiten weiter voran zu treiben, Abteilungsselbständigkeiten, wie die der Bildung, die die Direktorin schon vorher störten, zu beseitigen.

Wütend gemacht hatte das Programmvolk v.a. der „Anweisungsstil“, in dem die Direktorin die Konzept -Diskussion geführt habe. Vorsichtig geworden, erklärte Karola Sommerey das Papier vor dem Redakteursausschuß lediglich zur Diskussionsgrundlage, die offen für inhaltliche Vorschläge aus den Redaktionen bleibe. Der Druck war raus, die Kritik an Stil und Inhaltslosigkeit plus verklausulierter Rücktrittsforderung wurden verlesen, aber

nicht abgestimmt, die Verdächte auf taktischen Rückzug blieben ungesagt. Die Abteilungen haben die kreative Ausgestaltung des

schwarzen Spar-Peters nun selber in der Hand.

Uta Stolle

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