: Vertragsgemeinschaft vor der Wahl
■ Die Dresdner Gespräche zwischen Kohl und Modrow im Überblick
Schon von Weihnachten an können die Bürger der Bundesrepublik und die Westberliner ohne jede Einschränkung in die DDR reisen, Visumzwang und Zwangsumtausch werden abgeschafft. Das Brandenburger Tor in Berlin, Symbol deutscher Geschichte und später der Teilung der Stadt, soll am Freitag für Fußgänger wieder geöffnet werden. Und alle politischen Gefangenen in der DDR kommen wahrscheinlich ebenfalls noch vor dem Fest in Freiheit. Dies sind die wichtigsten Gesprächsergebnisse zwischen Bundeskanzler Helmut Kohl und DDR-Ministerpräsident Hans Modrow am Dienstag in Dresden. Ein weiteres wesentliches Ergebnis der Gespräche ist ein für die Bundesbürger und Westberliner bei DDR-Besuchen vereinbarter Umtauschkurs von einer D-Mark West gegen drei DDR-Mark vom 1. Januar an.
Wesentliches politisch weitreichendes Ergebnis der Gespräche ist die erklärte Absicht der Bildung einer Vertragsgemeinschaft zwischen beiden deutschen Staaten. Beauftragte beider Regierungen sollen, wie es hieß, unverzüglich Verhandlungen über den Text eines solchen Vertrages aufnehmen. Dieser Vertrag vor allem mit wirtschaftlichen Perspektiven der Zusammenarbeit, wie er von der DDR angeregt worden ist, kann nach den Worten Kohls wahrscheinlich schon im Laufe des kommenden Frühjahrs bereits vor den Wahlen in der DDR unterzeichnet werden.
In der Frage einer gemeinsamen Zukunft beider deutscher Staaten machten Modrow und Kohl in der Pressekonferenz ihre unterschiedlichen Standpunkte deutlich. Zum Zehn-Punkte-Plan von Bundeskanzler Helmut Kohl mit der Perspektive einer Wiedervereinigung sagte Modrow in der Pressekonferenz, er gehe von zwei unabhängig voneinander existierenden deutschen Staaten aus, die auch weiterhin bestehen sollten. Er sehe die Chance, daß die DDR ihre eigenständige Entwicklung fortsetzen könne.
Kohl kündigte die Auflösung der zentralen Erfassungsstelle in Salzgitter für den Fall an, daß die Voraussetzungen dafür entfallen.
Zur Ausgestaltung der Vertragsgemeinschaft, die eine grundlegende Reform des wirtschaftlichen Systems in der DDR notwendig macht, einigten sich beide Regierungen auf eine deutsch-deutsche Wirtschaftskommission, die bereits im Januar zu ihrer ersten Sitzung zusammentreffen soll. Gleichzeitig wurde eine ganze Serie von Wirtschaftskonferenzen angekündigt. Führende Unternehmer der Bundesrepublik sollen nach den Worten Haussmanns im Januar mit Vertretern der Betriebe der DDR über Joint-ventures beraten. Im Februar soll dann ein ähnliches Treffen von Vertretern mittlerer und kleinerer Betriebe stattfinden.
Weitere Gesprächsergebnisse: Zur Planung von Verkehrsverbindungen zwischen beiden Staaten soll eine Kommission „Verkehrswege“ eingerichtet werden. Die Verhandlungen über den Bau einer Eisenbahnschnellverbindung zwischen Hannover und Berlin gehen am 8.Januar weiter. Für den Rechts- und Amtshilfeverkehr zwischen Ost und West wird eine Expertenkommission eingesetzt. Auch zur Zusammenarbeit der Polizei, etwa bei der Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität, sollen die entsprechenden Ministerien kurzfristig Gespräche aufnehmen. Zur freien und umfassenden Information wurde der wechselseitige Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften vereinbart. Kohl und Modrow wollen sich bereits im Januar oder Februar erneut, diesmal in der Bundesrepublik, treffen.
dpa
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