: Verhandlungston über Zimmerlautstärke
■ In der Senatskrisensitzung haben die AL-Senatorinnen die Stromtrasse gezwungenermaßen „zustimmend zur Kenntnis genommen“ / AL-Abgeordnete wollen künftig stärker mit SPD-Fraktion kooperieren / AL-Basis entscheidet im Februar über die Zukunft der Koalition
Das Ende der Verhandlungen verkündete gegen 1 Uhr morgens ein sichtlich enervierter SPD-Fraktionsvorsitzender und ein smarter Senatspressesprecher. Die Stromtrasse, nach dem Konzept von Wirtschaftssenator Mitzscherling einstimmig beschlossen, erklärten erst Ditmar Staffelt und dann Werner Kohlhoff. Auf Nachfragen schälte sich die offizielle Formulierung heraus: Alle Senatsmitglieder haben die Mitzscherling-Vorlage „zustimmend zur Kenntnis genommen“ auch die drei von der AL gestellten Senatorinnen. „Weil sie sonst vor der Frage standen, alles knacken zu lassen“, erklärte eine ebenso enervierte AL-Fraktionsvorsitzende Heide Bischoff-Pflanz vor laufender Kamera. „Weil wir Verantwortung übernommen haben und gerade in diesen Zeiten eine stabile rot-grüne Regierung haben wollen“ wollte Umweltsenatorin Schreyer die Koalition nicht platzen lassen. Die SPD-Senatoren hätten „deutlich gemacht“, daß die Koalitionsfrage gestellt würde, falls kein Beschluß zur Stromtrasse zustande käme, lautet die Formulierung des Senatssprechers. Der Geräuschpegel der Verhandlungen, so war zu hören, ging streckenweise weit über Zimmerlautstärke hinaus.
Auf dem Wörtchen „zustimmend“ hatte die SPD bestanden. Die Vorlage einfach nur zur Kenntnis zu nehmen, hatte die AL vorgeschlagen, „aber wir können Frau Schreyer den Krach nicht ersparen, den sie mit ihrer VV endlich mal führen muß“, so Kohlhoff. Wie der Krach ausgeht, wird sich im Januar oder Februar auf der geplanten „Bilanz-VV“ der AL zeigen. Dann soll über den Fortbestand der Koalition nicht nur anhand der Stromtrasse, sondern einer allgemeinen Bestandsaufnahme rot-grüner Politik entschieden werden.
Im Konflikt um den KiTa-Streik war dagegen wieder etwas Bewegung in die erstarrten Fronten gekommen. Der Punkt war auf der Senatssondersitzung vertagt und ein erneutes Gespräch zwischen den zuständigen SenatorInnen Klein, Pätzold und Meisner angekündigt worden. Die SPD habe, so Anne Klein, Zugeständnisse bei der personellen Ausstattung signalisiert. Ein Tarifvertrag ist weiterhin umstritten.
Die AL will sich nun, nachdem man die Wunden notdürftig geleckt hat, verstärkt an die SPD-Fraktion wenden. Dort ist der Wille zu Rot-Grün nach Auffassung von Heidi Bischoff -Pflanz momentan ohnehin größer als auf Senatsebene, wo sich Walter Momper per repräsentativer Umfrage bereits seine Popularität errechnen läßt. Tatsächlich war die Zusammenarbeit in der Ausländer-, Energie- oder Umweltpolitik zwischen den Fraktionen oft unproblematischer als im Senat, wo die politische Zweckehe unübersehbare Zeichen der Zerrüttung zeigt. (Siehe auch Seite 5, 20 und 22.)
anb
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen