: „Alle Häßlichkeiten dieser Welt gefallen mir“
BeV StroganoV über die modische Jahrzehntwende / Achtziger: Jeder darf aussehen wie der letzte Dreck / Neunziger: Braun- und Grautöne passend zur Politik / Nie mehr Alf, nie mehr Trainingsanzüge, nie mehr grauer Teppichboden / Die gelbe Hose ist immer gut für ein ramponiertes Gesicht ■ I N T E R V I E W
Der Berliner Modedesigner BeV StroganoV, bekannt für seine Fummel aus Film, Funk und Fernsehen und nach eigenen Worten „schon im Uterus mit Makramee beschäftigt“, über die Mode der 80er und 90er Jahre: West-Taillen, Ost-Jacken, den lebensgefährlichen Rock für den Mann, Jane Fonda, Alf-Puppen und Helmut Kohl.
taz: Was willst du in den 90er Jahren ganz bestimmt nicht mehr sehen?
BeV: Alle Häßlichkeiten dieser Welt gefallen mir ja meist selbst der Hahnentritt hat mir damals gefallen in den 80ern. Aber dieser ungeahnte Einfluß der Ostler, die uns jetzt mit ihren Jeansjacken, Parkas und den großkarierten Hemden beströmen und damit das Modebild in Berlin bestimmen, das ist mir ein Graus. Die 80er Jahre waren ja das Zeitalter, wo das erste Mal der Modestil völlig aufgelöst war, wo jeder tragen konnte, was er wollte, auch aussehen wie der letzte Dreck, zum Beispiel in der Joggingmode. Das ist auch etwas, das ich nie wieder sehen will. Diese Jane Fonda mit ihrem Stretching war ja vielleicht ganz schön für den Körper, aber daß jetzt alle mit türkisfarbenen Jogginganzügen auf die Straße gehen dürfen, finde ich furchtbar. Was ich auch nicht sehen will, sind Alf-Kalender, Alf-Tischdecken, Alf -Servietten, Alf-Bettwäsche und aufblasbare Alf-Puppen. Bei Batman bin ich mir da nicht so sicher, den kann ich gut leiden. Aber weg mit der Vermarktungs-Plastikkacke. Die Leute sollten sich ein bißchen mehr Kopf um Design machen und sich nicht so aufsaugen lassen. Nicht so wie die Wohnungen von den kleinen blonden Mädchen, mit grauem Plastikfußboden und rosa Geschirr, links ein Poster von Alf und rechts eins von Roger Rabbit an der Wand, wie süß. Mensch, die sind 28 Jahre alt. Da muß man doch mal ein bißchen aufpassen und sich umgucken in der Welt.
Was kommt in den 90ern?
Grün. Blau. Schiefer. Schifahren.
Werden die Sachen edler?
Abends, wenn man ausgehen will, werden die Sachen vielleicht noch ein bißchen edler. Das ist der Trend, den man jetzt schon hat, mit den ganzen Goldjäckchen und -röckchen, aber das wird ganz schnell weg sein im Lauf des Jahres. Die Sachen werden eher wieder mehr ins Schlichte gehen, mit tollen Emblemen, aber gestickt. Ganz stark im Vordergrund wird die Bequemlichkeit stehen, die Funktionalität, daß die Taschen an der richtigen Stelle sitzen und so weiter.
Kommt der Rock für den Mann?
Nein. Du kannst das abends anziehen, wenn du ins Theater des Westens gehst, dann belächeln dich die Leute. Früher, als ich noch auf der Modeschule war, hab‘ ich mich auch noch getraut, mich witziger anzuziehen, doch jetzt, wo ich mittlerweile die große berühmte Designerin für Fummel und Tunten bin, da hab‘ ich nicht mal mehr Lust, mir 'ne gelbe Hose anzuziehen. Weil hier in Berlin, in der weltoffenen Großstadt mit Freaks und was weiß ich, wenn du hier was anziehst, was auch nur so'n bißchen abweicht von den Normalitäten, dann wirst du angemacht, angeglotzt, angepöbelt. Das ist furchtbar. Ich zieh‘ nur noch Schwarz an, damit kann man nichts mehr verkehrt machen. Deshalb will ich in den 90ern einfach auch eine breitere Palette sehen. Daß jeder anziehen kann, was er will, daß er das auch von den anderen Leuten her darf. Was nötig tut, ist mehr Toleranz.
Ich dachte immer, die 80er waren so androgyn...
Wenn du mit 'ner gelben Hose losgehst, kriegst du aus allen Ecken zugerufen „He, blöder Schwuli!“. Es wäre ja noch ganz schön, wenn es nur bei den Zurufen bliebe. Mit dem Fummel in der U-Bahn, das wird nicht toleriert. Wenn du dich bunter anziehst und dich schminkst, auch nur ein bißchen Lidschatten, dann wirst du schlicht zusammengeschlagen. Wenn dauernd Bekannte und Freunde CS-Gas ins Gesicht kriegen, dann fährst du nur noch Taxi. Ich denke, daß die Gesellschaft der 90er sehr konservativ, sehr rückläufig sein wird. Es werden eher die Braun- und Grautöne überwiegen, passend zur Politik.
Zieht Helmut sich dann wenigstens besser an? Man sieht ihn ja zunehmend in Zweireihern und nicht immer taubenblau.
Da haben sie ein Stück reingesetzt, weil der dicker geworden ist. Bei Kohl geht es nicht um Mode, da geht es nur noch um Proportionenen. Weil, irgendwas muß er ja anziehen. Für den wäre es gut, wenn er in Afrika leben würde, da könnte er immer diese weiten Kittel anziehen. Wäre mir auch ganz lieb, wenn der in Afrika wohnen würde.
Interview: kotte
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