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Ananas und Bananas- Wie kann ein langer Aufenthalt im Ausland das Verhältnis zur eigenen Heimat im positiven wie auch negativen Sinn verändern?

Wie kann ein langer Aufenthalt im Ausland das Verhältnis zur eigenen Heimat im positiven wie auch negativen Sinn verändern?

Wir haben in den letzten Tagen (ein)gesehen, wie ein langer, aber auch ein kurzer Aufenthalt im Ausland das Verhältnis zur eigenen Heimat im positiven oder negativen Sinn verändern kann. (...)

Ich spreche von der heißen Beziehung zwischen den DDR -BürgerInnen und den BürgerInnen der BRD, die allmählich zunehmen. (...) Ich behaupte, daß der Grund des Aufstands in der DDR Bananen und Ananas sind. Sobald die undurchlässigen Grenzen geöffnet wurden und die Berliner Mauer abgebaut wurde, kamen viele DDR-BürgerInnen in die BRD. In der neuen Welt haben sie viele interessante Neuheiten gesehen. Besonders haben sie sich für „Bananas und Ananas“ interessiert. Sie sind enttäuscht.

Das Volk, das vor 40 Jahren mit ihnen zusammen unter den zerstörten Gebäuden einige Brotbeutel gesucht hat, kann jetzt die teuren und exotischen Früchte essen.

Bei dem kurzen Aufenthalt haben die DDR-Bürger noch kein Hindernis vor ihren Augen gehabt. Ihre Kinder spielten mit teurem Spielzeug und ihre Frauen wünschten sich sehnsüchtig elegante Kleider.

Besonders der Geschmack der Ananas, der war toll. Sie fühlten sich wie im Traum. Ihr träumerischer Aufenthalt zeigte sofort seine Wirkung in der DDR.

Die Leute, die auf die Straße gingen, forderten mehr Demokratie mit Spielzeug, Obst und Schokolade. Man hat dem Volk versprochen, einen besseren Sozialismus aufzubauen. Aber das war nicht genug. Es gab eine Frage in der öffentlichen Meinung. Wann würde der Sozialismus das Paradies in ihre Welt beziehungsweise ihr Land bringen. Die Geduld hat auch eine Grenze. Das Land neben ihnen hat durch Kapitalismus ein Paradies errichtet. Zwar hat es die Dritte Welt ein wenig ausgenützt - vielleicht -, aber das mußte wohl so sein. Der sozialistische Staat hat die GenossInnen nicht ausgenutzt? Der kapitalistische Nachbar hat GastarbeiterInnen vom Ausland ins Land geholt, aber doch ihnen günstige Gelegenheit gegeben, im Gastland zu leben und diesen Auslandsaufenthalt zu nutzen. Das geht die DDR -BürgerInnen natürlich nichts an. Sie sind in einer sozialistischen Gesellschaft ausgebildet worden und haben keine Ausländerfrage in ihrem Land. Der Geschmack der Ananas...

Die PolitikerInnen, die ihnen einen besseren Sozialismus versprochen haben, werden jetzt von ihrer Macht ausgeschlossen. Sie können nicht einsehen, daß dem Volk Ananas gegeben werden muß. Es scheint, daß das DDR-Volk so lange auf die Straße gehen wird, bis es Ananas in heimatlichen Geschäften sehen wird.

Was ist los mit dieser Welt? Früher wurde für Brot aufgestanden, nun für Ananas. Auf der einen Seite gibt es Menschen, die wegen des Nahrungsmangels sterben müssen. Auf der anderen Seite sind die Menschen, die für die Entwicklung des Wohlstands kämpfen.

Fikret Yesilirmak, Erlangen

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