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Ungezieferprobleme? Eßt Birnen!

■ Beim Birnenimport mit Zitronen gehandelt: 800 Mark Geldbuße für Pestizidobst-Händler

Auch eine Birne hat Anspruch auf ein Leben vor dem Kompott -Tod, will - wie alles Obst - vor Blattlaus, Borkenkäfer und Vogelplage geschützt sein. Die zeitgemäße Folge-Frage lautet allerdings: Wer schützt anschließend den Obstfreund vor dem Birnenschutz? Denn: Spätestens seit die chemische Industrie statt vogelscheuchendem Lärmgerät und insektenhemmender Leimfirnis „Dithiocarbamate“ als probates Mittel unbehelligter Birnen-Reife anempfiehlt, ist auch die Krönung der Schöpfung, der Mensch, als schützenswertes Objekt im Kreislauf der Natur entdeckt. Zuständig dafür: Die Paragraphen der sogenannten „Pflanzenschutz

mittel-Höchstmengenver- ordnung“ und des „Lebensmittel-und Betriebsgegenstände -Gesetzes“. Ihre insgeheime Voraussetzung: Was der gemeinen Obstfliege - selbst in Maßen genossen - abträglich ist, kann dem Menschen auf Dauer nicht zuträglich sein. Ihre Lösung: Ein Kontaminations-Kompromiß. Zu finden und richtlinienmäßig festzulegen sind Pflanzenschutzmittel-Dosen, die der Mensch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch überlebt, einer Blattlaus-Kolonie aber zuverlässig den Garaus machen. Und die betragen nun mal im Birnenfall exakt 2 Milligramm Dithiocarbamat je Kilo. Klartext: Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Augenmaß beim Pestizideinsatz verliert oder vorsätzlich oder fahrlässig pestizidüberdosiertes Obst in den Handel bringt, wird mit einer Geldbuße bis zu 50.000 Mark belegt.

Das liest sich in den einschlägigen Pflanzenschutzmittel -Höchstmengenverordnungen leichter, als es fruchtomporttechnisch getan ist. Woher, fragte gestern von der Anklagebank herunter der Geschäftsführer eines Bremer Fruchthandelshauses der im Obstgeschäft bundesweit führenden Scipio-Gruppe immer wieder, soll ich denn wissen, welche unter Birne unter Millionen endverbraucher -gesundheitsabträglich ist? Wie das schwarze Schaf unter Tausenden von Obstkisten-Palette erkennen?

Seiner Firma waren im Oktober 1987 20.000 Kilo italienischer Birnen durch die Lebensmittel-Kontrollmaschen in die Aldi-Supermärkte gerutscht. 800 Mark Bußgeld war den Lebensmittelüberwachern die überhöhten Dithiocarbamat-Werte von bis 4,7 Milligramm pro stichprobenkontrolliertem Birnen -Kilo wert gewesen. Scipo-Geschäftsführer Hans-Georg R. war sich dagegen keiner Fahrlässigkeit oder gar Schuld bewußt: „Ich kann schließlich nicht jede Lieferpartie untersuchen lasen. Das ist praktisch völlig unmöglich. Wir müssen uns auf stichprobenartige Laboruntersuchungen verlassen. Richter Peter Häfner ließ sich gestern von derartigen Praktikabiltätserwägungen nicht beeindrucken. Zwar hatte Häfner nichts gegen stichprobenartige Kontrollen, aber von jeder gelie will jetzt in der nächsten Instanz versuchen, die Tadellosigkeit seines Geschäftsgebahrens unter Beweis zu stellen.

K.S.

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