Wohin mit Wegwerfwindeln?

■ Verpackungssteuer, mehr Personal, BSR-Machtverlust / Was Schreyer gestern verschweigen mußte

„Die Planung für eine zweite Sondermüllverbrennungsanlage muß unverzüglich in Angriff genommen werden.“ So heißt es in dem Bericht über ein neues Abfall konzept, den Umweltsenatorin Schreyer gestern der Öffentlichkeit vorenthalten mußte. „Denkbar ist auch“, so steht es in dem der taz vorliegenden Papier, „eine Erweiterung der derzeit betriebenen Anlage in Schöneiche“. Die DDR habe mitgeteilt, daß die undichte Deponie Vorketzin „nur noch für sehr begrenzte Zeit“ Platz für den Giftmüll hätte. Ersatzflächen stünden nach Auskunft der Ostberliner Stellen „im Großraum Berlin nicht zur Verfügung“.

Während dieses Detail aus dem umstrittenen Bericht Umweltschützern in den Ohren klingen müßte, sind viele andere Vorschläge eher geeignet, Proteste zu provozieren bei Unternehmern allerdings. Schreyer denkt nämlich an „Rücknahmepflichten“ des Handels für Verpackungen und an eine Landessteuer für Getränkeverpackungen, gegen die SPD -Finanzsenator Meisner intern Widerstand leistet. Nicht nur Behörden sollten nach Schreyers Ansicht auf Einwegwaren möglichst verzichten, sondern auch „Großunternehmen“ will sie zu einer „Umstellung des Beschaffungswesens“ bewegen.

Bei SPD-Innensenator Pätzold kaum Gefallen finden dürfte die im Bericht dokumentierte Forderung, der Umweltverwaltung, eine „erhebliche Personalverstärkung“ zu bewilligen, um endlich das anerkannt katastrophale Kontrolldefizit im Sondermüllsektor zu beseitigen. Die Umweltbehörde „muß“, so heißt es, „von den pauschalen Stellenkürzungen ausgenommen werden“, die Pätzold rigoros durchsetzte. Kürzungen „in diesem Bereich“, heißt es, „erscheinen angesichts des Ernstes der Lage grotesk und sind schlechthin unverantwortlich“.

Bremsspuren der weniger reformwilligen Berliner Stadtreinigung (BSR) sowie der Senatsbetriebeverwaltung, die SPD-Senator Wagner untersteht, zeigen sich auch in dem Bericht selbst. BSR und Wagner-Mitarbeiter legten Widerspruch gegen den Schreyer-Plan ein, die Sondermüllentsorgung der Stadt künftig der oft trägen Stadtreinigung (BSR) zu entziehen und einer neu zu gründenden Gesellschaft nach hessischem Vorbild zu übertragen. „Überflüssig“ sei diese Sondertruppe.

Streit gibt es auch bei der Einschätzung des Recyclingpoten

tials. BSR und Wagners Verwaltung haben Zweifel, ob bis zum Ende der Legislaturperiode zusätzlich 330.000 Tonnen Hausmüll wiederverwertet werden können. Einigkeit herrschte dagegen über ein nur scheinbar marginales, in Wahrheit aber „zunehmendes Problem“: Wegwerfwindeln. Schon 1984 machten sie 2,2 Prozent des städtischen Hausmülls aus, gleich 12.760 Tonnen. 1989 waren es schon 2,5 Prozent.

hmt