: Kein Zeitplan für die RGW-Reformen
■ Der „Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe“ will in harter Währung und echten Preisen handeln / Drängeln der UdSSR und der CSSR abgelehnt / Affront aus Ungarn: Demnächst RGW-unverträgliche Suzukis aus der Puszta
Sofia (ap/taz) - Die Staaten der noch sozialistischen Wirtschaftsgemeinschaft RGW wollen sich nach über 40jähriger Isolation in den Weltmarkt integrieren. Zum Abschluß der zweitägigen Jahrestagung des „Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe“ in Sofia sagte am Mittwoch der bulgarische Ministerpräsident Georgi Atanassow, die Regierung der zehn Mitgliedsstaaten hätten sich geeinigt, ihren Außenhandel schrittweise an die Weltmarktpreise anzupassen und in harter Währung abzuwickeln. „Eine 40 Jahre währende Periode geht zu Ende“, sagte Atanassow.
Aus Teilnehmerkreisen verlautete ergänzend, der sowjetische Vorschlag, die Anpassung schon ab 1991 zu verwirklichen, sei von anderen Staaten Osteuropas abgelehnt worden. Dabei sei die Befürchtung laut geworden, daß ein rascher Übergang zum neuen System für viele Länder wegen der jahrzehntelangen Abhängigkeit von sowjetischen Öl- und Gasimporten im Desaster enden könnte. Fachleute schätzten in Sofia, es werde mindestens drei bis fünf Jahre dauern, ehe die bisherige RGW-Praxis der Abrechnung zu Vertragspreisen und in der künstlichen Währungseinheit des Transferrubels überwunden werden könne.
Vorgesehen ist ferner, den Handel innerhalb des RGW künftig auf bilateraler Basis und nicht mehr nach zentralen Vorgaben abzuwickeln und so die bisherige Vorherrschaft Moskaus abzuschwächen. Der Prager Finanzminister Vaclav Klaus, der sich in der vergangenen Woche für eine Auflösung des östlichen Gegenstücks zur EG ausgesprochen hatte, erklärte, dies werde zum größten Teil schon in Kürze praktiziert werden. Insbesondere Ungarn, Polen und die Tschechoslowakei haben in jüngster Zeit Initiativen für engere Wirtschaftsbeziehungen eingeleitet.
Zum Tagungsort für die nächste RGW-Konferenz bestimmten die Teilnehmer Budapest, ohne sich aber schon auf einen genauen Zeitpunkt festzulegen. Abgelehnt wurde der Vorschlag der Prager Delegation, schon im Juni dieses Jahres wieder zusammenzukommen, um das Tempo der Reformen zu beschleunigen. Insbesondere die Vertreter Kubas und Vietnams hatten sich auf der Tagung gegen eine Abkehr von der zentralen Planwirtschaft ausgesprochen.
Ausgerechnet während der Konferenz wurde der Bruch mit einem RGW-Prinzip bekanntgegeben, wonach einzelne Mitglieder der Wirtschaftsgemeinschaft sich auf jeweils verschiedene Schwerpunkte in der Produktion konzentrieren müssen. Ungarn schloß einen Kooperationsvertrag mit dem japanischen Kleinwagenhersteller Suzuki ab, obwohl bisher nur die UdSSR, die CSSR, die DDR und Rumänien Autos herstellen durften.
diba
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