: Die Anderen: Canard Enchaine: zu französischen Rüstungsvorstellungen / Corriere della Sera: Zur Lage in Albanien / The Independent: Zum Nationalismus in Osteuropa
Canard Enchaine
Zu französischen Rüstungsvorstellungen
Nationalistisch, uniformvernarrt und begeistert von einer Europäischen Konföderation (weil die Konföderation die Nation privilegiert, die der „Grundstein“ des Aufbaus Europas ist), kommt Verteidigungsminister Jean-Pierre Chevenement keinen einzigen Augenblick lang auf die Idee, daß mit dem Ende des Kalten Krieges, mit der Entspannung, der Auflösung der Blöcke und dem Beginn der Abrüstung Frankreich in die Lage kommen könnte, seine Militärausgaben zu senken. Ganz im Gegenteil: denn es geht für Frankreich darum, „machtvoll zur Dynamisierung und zum Ausgleich der europäischen Konföderation beizutragen“... Für Chevenement erlaubt die Atomstreitmacht Frankreich, eine „Rolle als Stabilisator und folglich als Befreier (sic) der kleinen Nationen“ des Kontinents zu spielen... Unser General träumt von einem konföderierten Europa unter atomarem französischen Protektorat, in dem Frankreich eine große Rolle spielt und unser Hahn stolz seinen Kamm schwellen läßt und seine beschützenden Flügel ausbreitet.
Corriere della Sera
Zur Lage in Albanien
Die Lage in Albanien ist weniger ruhig, als die Regierung in Tirana glauben machen will. Die Veränderungen in Osteuropa in den vergangenen Monaten haben begonnen, sich auch auf das letzte Land auszuwirken, das dem stalinistischen Mythos vertraut... Auch wenn noch sehr undeutlich und zu vage, um das politische Gewicht zu bewerten, sind doch die Meldungen über die Proteste der griechisch-orthodoxen Kirche... erste Anzeichen für den Ausbruch von Unzufriedenheit seit Weihnachten und in den ersten Tagen des Januars. Albanien feiert heute mit einer Demonstration in Tirana unter besonders massiver Präsenz der Geheimpolizei den 44.Jahrestag der Republik... Das Regime in Tirana fürchtet die Ansteckung durch die Perestroika.
The Independent
Zum Nationalismus in Osteuropa
Die Nationalstaaten in Osteuropa werden ihre neue Unabhängigkeit schätzen und hüten. Das Nationalgefühl, gegen das kein Land regiert werden kann, scheint im Moment einen Anschluß an den Westen zu begünstigen - wirtschaftlich, politisch und kulturell. Darin braucht nichts Negatives oder Bedrohliches zu liegen, eher das Gegenteil. Noch sollte der Wunsch der beiden deutschen Völker, ihre Staaten zu verschmelzen, mit dem Nationalismus verglichen werden, der Deutsche und Slawen in eine historische und tragische Konfrontation gebracht hat. Deutschland hat heute keine Eroberungsgelüste mehr, sondern trägt die Trophäe des Friedens und des Wohlstands. Das russische Reich könnte den Weg von Österreich-Ungarn gehen, was nicht heißt, daß Europa in die Fußstapfen von Versailles treten muß.
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