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SACHLICHES SCHWINDELN

■ Fotografien von und aus dem Bauhaus in der Galerie Berinson

Die Fotografie hielt spät Einzug in das Bauhaus, als sie sich in Deutschland und der UdSSR schon längst von Dokumentationsfoto und Werbefotografie zur Hilfskunst von Design und Typografie entwickelt hatte. Zuvor war die Schule unter dem reaktionären Druck Weimars nach Dessau ausgewichen, und hatte unter Leitung von Walter Gropius eine Wendung von der „Hippie-Kultur“ Johannes Ittens hin zu einem Unterricht gemacht, der den Schwerpunkt auf Architektur und Zusammenarbeit mit der Industrie legte und folglich die klassisch-musischen Künste in die Nebenfächer verbannte. Dann mußte noch Hannes Meyer, der „wissenschaftliche Marxist“, wie er sich selber nannte, 1928 den Direktorenstuhl erklimmen. Ein knappes Jahr später konnte endlich die Fotoabteilung eingerichtet werden.

Vor allem Lazlo und Lucia Moholy-Nagy beschäftigten sich am Dessauer Rathaus mit dem „neuen“ Medium. Wie viele Dadaisten und Konstruktivisten war Lazlo über die Fotomontage zur Fotografie gekommen. Die Vorläufer des sachlichen Ablichtens lassen in den Werken des Ehepaars, der Schüler, Lehrer, Künstler und Söhne prominenter Väter wie Lux Feininger, die derzeit in der Galerie Berinson zu sehen sind, noch grüßen: Kurve trifft Linie, Schwarz umarmt Weiß - das fotografierende Auge ist ganz auf Geometrie gepolt und sucht die Kombination von Gegensätzen.

Der auf einem grob gemaserten Holzstück aufgespießte Schlüsselbund wirft genauso schöne Schatten wie der schwarze Damenschuh auf hellem Grund. Experimente mit Fotogrammen, auf denen sich die Bestimmung eines Gegenstandes zweidimensional auflöst, destillieren zur reinen Form. Fast personifiziert dagegen erscheint der Wasserhahn, der einen langen diagonalen Schatten an die weiß verputzte Wand wirft, als ob er etwas wüßte und gleich begänne, sich zu bewegen. Damit nähert er sich den Porträts und Selbstporträts der Bauhäusler, die sich selbst mittels scharfer Kontraste und starrer Gesichter zum Stilleben machen. Großen Auges wird durch die Kamera hindurchgeschaut. Haare fallen schräg in die Stirn, Gesichter werden diagonal abgeschnitten. Die Frauen - 51 studieren 1929 neben 119 Männern am Bauhaus haben Abschied vom traditionell „weiblichen“ Erscheinungsbild genommen. Modischer Schnickschnack wie herzförmig gemalte Münder und Kaltwelle im blondierten Bubikopf fehlen - hier präsentiert sich eine ernste Avantgarde. Wo die Selbststilisierung fotogener Achtziger -Jahre-Menschen ihre Wurzeln hat, liegt auf der Hand.

Ganz anders zeigen sich die BauhausschülerInnen auf den Gruppenfotos. Auf denen wird fröhliche Gemeinsamkeit demonstriert: „Schaut her, wir schaffen eine bessere Zukunft und haben auch noch Spaß dabei!“ Von den Spannungen innerhalb des Bauhauses und dem Druck, dem es auch in Dessau ausgesetzt war, lassen diese Bilder nichts ahnen. Im Gegenteil: sie zeugen Kostümfeste der Theaterklasse Oskar Schlemmers, und die auf schwarz-amerikanische Combo getrimmte „Bauhaus-Band“, deren braves Posieren weit entfernt ist von den pathetischen Promo-Fotos einer Bauhaus-Band der achtziger Jahre.

Nur zwei Abzüge zeigen Innen- und Außenarchitektur des Direktorenhauses. Auf die Dokumentation des Sports am Bauhaus verzichtet die Ausstellung ganz. Dabei hatte Hannes Meyer als erste Amtshandlung den Unterricht an Samstagen abgeschafft, um mehr Zeit für Leibesübungen zu gewinnen. Er selbst posierte übrigens in flottem Westover mit Reißverschluß, ganz im Trend der Zeit, die auf schnelle Sportarten und Amerika setzte. Von der Faszination, die das Land des eiligen Kapitalismus auf die KünstlerInnen der zwanziger Jahre ausübte, zeugen in der Galerie Berinson nur die Collagen des holländischen Malers und Schriftstellers Citroen, um dessen Vornamen sich die Forschung noch streitet - meist heißt er Hans, bei Berinson heißt er Paul.

Hans-Pauls Bilder hängen auf einem Fleck, alle anderen wurden nicht nach ihren Schöpfern, sondern thematisch angeordnet, um die verschiedenen Darstellungsmöglichkeiten von Gesichtern, Gegenständen und Leben im Bauhaus zu zeigen. Mit Ausnahme eines Porträts Citroens vor Wolkenkratzern stecken alle Fotos in den gleichen eleganten schwarzen Rahmen. Fotos, die eine Großmutter von ihrer Enkelin geschickt bekommen haben könnte, als diese noch Bauhausstudentin war, und die sie beim Aussortieren ihrer Fotokisten vielleicht weggeworfen hätte, erhalten in den großen Papp-Passepartouts die Bedeutung eines Zeitzeugen, der sich jeder Nähe entzieht und unantastbar bleibt. Dementsprechend sind die Preise. Für die Papierstücke können derzeit auf dem Berliner Markt bis zu 8.500 Mark gezahlt werden.

Claudia Wahjudi

Bauhaus-Fotografie in der Galerie Berinson bis 25.Februar, Dienstag bis Freitag 14 bis 19, Samstag 11 bis 15 Uhr, Giesebrechtstraße 3, 1-12.

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