: Mauer in unseren Köpfen-betr.: REPs und Wiedervereinigung
betr.: REPs und Wiedervereinigung
'Bild‘ mischt mit: „Herr Schönhuber, Sie zerstören Deutschland!“ Leider erfuhr ich auch nur aus diesem Schmierblatt, daß letzten Montag in Leipzig die REPs auf Ablehnung stießen, ihr Werbematerial verbrannt wurde. Kein Grund zur Beunruhigung also?
Wie weit (Neo-)Nazis in der DDR ein real existierendes Problem darstellen, ist von hier schwer zu beurteilen. Auffällig ist aber, daß der SED-PDS nichts Besseres einfällt, als mit oberflächlichen Parolen, kämpferisch wie eh und je, dagegen aufzutreten. Differenzierte Töne sind auch von hier kaum zu vernehmen.
Weder die Banalität unserer Wirtschaftswunder-Demokratie noch der stalinistisch verordnete Antifaschismus haben bisher eine offene Auseinandersetzung über die Frage unserer nationalen Identität ermöglicht. Wenn wir sie aus dem politischen Diskurs aussparen, überlassen wir dieses Feld die Bindung offenbar lange verdrängter Emotionen - denen, die nicht einmal bereit sind, bestehende Staatsgrenzen anzuerkennen.
Höchste Zeit also, unbequemen Fragen Raum zu geben:
-Welche berechtigten Emotionen sprachen die Nazis (1930 in demokratischen Wahlen als zweitstärkste Partei des Reichstags legitimiert!) an, was sparten ihre Gegner aus?
-Inwiefern haben wir heute ähnliche Bedingungen (existentielle Heimatlosigkeit, Umweltbedrohung, emotionslose Rationalität, Werteverlust), sind also ähnlichen Gefahren ausgesetzt wie zu Zeiten der Weimarer Republik?
-Können die in beiden Teilen Deutschlands vorhandenen nationalen Triebkräfte diesmal positiv genutzt werden für ein vereintes “... Deutschland ohne Panzer... in einem Europa ohne Grenzen“?
Nachdem die Mauer nun gefallen ist, sind wir mit den Mauern in unseren Köpfen konfrontiert; alte Sicherheit aufzugeben kann schmerzlich sein, ist aber notwendig, um zu verhindern, daß wieder Leid und Elend von deutschem Boden ausgehen. Schon heute bedrohen wir den Rest der Welt - und damit auch uns selbst - mit wahnsinniger industrieller Aufrüstung. Auch die muß bei der Lösung der „deutschen Frage“ zur Disposition stehen - denn ohne eine lebensbejahende Vision, welche jenseits von nationalem Egoismus die Zukunft der Menschheit einbezieht, käme wahrscheinlich doch nur tumbeste Deutschtümelei heraus. Davor mögen uns Herz und Hirn schützen!
Elisabeth Voß, Berlin
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