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Dioxin-Entsorgung durch neue Grenzwerte?

Nach einer internationalen Konferenz werden in dieser Woche die Weichen für neue Dioxin-Grenzwerte gestellt / Umweltschützer kritisieren die dünne Besetzung des Symposiums mit kritischen Wissenschaftlern / Töpfer verlangt einmal mehr „neue Sicherheitskultur“  ■  Von Erwin Single

Karlsruhe(taz) - Am Thema Dioxin scheiden sich die Geister. Seit Meldungen über hohe Dioxin-Belastungen in Luft, Boden, Klärschlämmen und Filterstäuben, aber auch in Verpackungen, Lebensmitteln und Muttermilch einander jagen, kann der Frage nicht länger ausgewichen werden: wie giftig ist das „Supergift“ Dioxin? In Karlsruhe treffen sich in dieser Woche rund 150 Wissenschaftler und Experten aus Europa und Nordamerika, um auf einem internationalen Dioxin-Symposium Forschungsergebnisse und Einschätzungen über Dioxine und Furane auszutauschen. Im Anschluß an das Symposium soll eine zweitägige Sachverständigenanhörung des Bundesgesundheits und des Bundesumweltamts in eine Neufestsetzung der Grenzwerte für Dioxine und Furane münden.

Mit dem Apell, eine „neue Sicherheitskultur der Industriegesellschaften“ zu entwickeln, eröffnete Bundesumweltminister Klaus Töpfer gestern die Konferenz. Eine solche „Sicherheitskultur“ im Sinne einer „vorsorgenden Verantwortung für Mensch und Umwelt“ sollte „integrierter Bestandteil unternehmerischer Planung“ werden und von der Ermittlung gefährlicher Eigenschaften chemischer Stoffe über „optimierte Anlagensicherheit“ bis hin zu einer gesicherten Entsorung reichen. Diese Anforderungen seien „selbstverständlich auch an Produktionsprozesse“ zu stellen. Fromme Wünsche eines Umweltministers also zum Auftakt des hochkarätigen Kongresses, den das Washingtoner „Toxicology Forum“, eine private Vereinigung, ausrichtet. Teilnahmegebühr: 400 US-Dollar.

Umweltminister Töpfer erwartet viel von diesem Symposium: Zur Diskussion stehen soll, welche Gefahren von Dioxinen und Furanen ausgehen, welches die Quellen und Belastungspfade sind und welche Schutzmaßnahmen dies erforderlich macht. Und Töpfers baden-württembergischer Amtskollege Erwin Vetter setzt noch eins drauf: Er erhofft gar eine „Bewertung“ in Richtung „einheitlicher Richtwerte“ auf der Basis wissenschaftlich fundierter Erkenntnisse.

Fraglich bleibt, ob die Veranstaltung solchen Anforderungen überhaupt gerecht werden kann. Unter Medizinern, Toxikologen und anderen Wissenschaftlern herrschen konträre Vorstellungen über das Minimierungsgebot für Dioxine und Furane. Während die einen tiefe Schnitte bei Produktionsverfahren und Produktpalletten zur Eindämmung von Dioxinemmissionen verlangen, hoffen andere den Giftausstoß technologisch begrenzen zu können. Von Seiten der Grünen und Umweltgruppen wird den Veranstaltern der Karlsruher Tagung vorgehalten, das Podium einseitig besetzt zu haben. Kritische Wissenschaftler seien mit Ausnahme des Kieler Toxikologen Otmar Wassermann und der Journalistin Elvira Spill auf der Referentenliste nicht vertreten. Zudem war ursprünglich offenbar geplant, das brisante Symposium unter Ausschluß der Öffentlichkeit abzuhalten.

Eine Neuauflage der Grenzwert-Diskussion wird es dennoch geben. Bereits seit längerer Zeit wird im Bundesgesundheitsamt über neue Grenzwerte diskutiert. In Karlsruhe sollen nun Experten aus „Wissenschaft und Verbänden“ gehört werden; wer das im einzelnen sein wird, darüber schweigt sich das Bundesgesundheitsamt aus.

Zur Diskussion gestellt wird die von BGA und UBA 1985 festgelegte Empfehlung, wonach eine tägliche Dioxinaufnahme von bis zu 10 Picogramm pro Kilo Körpergewicht als tolerierbar gilt. Dieser Grenzwert stützt sich auf die Erkenntnis, daß Dioxine neben einer Direktaufnahme vor allem über die Nahrungskette in den menschlichen Organismus gelangen. Wegen der sich häufenden Bodenvergiftungen müssen auch die Grenzwerte für die Bodennutzung zur Disposition gestellt werden.

Daß bei der Neufestlegung der Grenzwerte keineswegs an Null -Emmissionen und -Expositionen gedacht wird, legte Töpfer klar. Die Grenzwerte sollen, so der Minister, den wissenschaftlichen Erkenntnissen gerecht werden, aber auch „Ergebnisse einer Abwägung zwischen den Risiken und dem Nutzen bestimmter Produkte sowie bestimmter Produktions- und Entsorgungsprozesse“ sein.

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