: Tempo, Tempo,
■ Start für Filmmagazin „Oscar“ im Ersten - viel Triviales
Hollywood-Star Tom Cruise, allen noch frisch in Erinnerung aus dem seltsamerweise erfolgreichsten Film des letzten Jahres, Rain man, hat sich mit seiner Frau versöhnt. „Aber (hergehört, all ihr einsam und schmachtend im Kinosessel dahinwelkenden Jungfrauen!) man soll die Hoffnung nie aufgeben.“ Nur Mut! Vielleicht kann man ja schon in einer der nächsten Sendungen vom erneuten Zerwürfnis, von Scheidung, von tragisch verlaufenden Brustoperationen berichten. Solcherlei makaber schwachsinnigen Trost für die um ihren vermeintlichen Traummann betrogene Damenwelt hält Oscar bereit. Oscar ist nicht der neue Briefonkel irgendeines Klatsch- und Tratschblattes, nicht der Dr.Sommer für Mauerblümchen und Spätentwickler, sondern das neue Kino -Magazin der ARD, angelaufen am Montag. Anders wollte man sein, das ist offensichtlich; anders vor allem als die eher seriöse Sendereihe Apropos Film des ZDF. „Auf alle Fälle“, so Hanns-Helmut Böck, Unterhaltungschef des Bayerischen Rundfunks, unter dessen Federführung das Projekt realisiert wurde, „soll es kein tiefschürfendes Magazin für Cineasten sein.“ Davor mußte einem wirklich nicht bange sein. Statt tief geschürft wurde schon in den Pressetexten zu Oscar kräftig hochgestapelt. Sean Connery sei Gastmoderator der ersten Ausgabe, hieß es dort, sei „Filmvorführer im Oscar-Palast.“ Ein klarer Fall von Etikettenschwindel. Was als Starmoderation den Medien verkauft werden sollte, war lediglich ein in Kleinstteile zerschnittenes Interview mit dem berühmten Mimen, in dem der beste James Bond der Filmgeschichte nichts als Trivialitäten, Artigkeiten und schale Witzchen von sich zu geben wußte. Ist das zum Beispiel lustig, wenn Connery dem Kollegen Paul Newman „breit grinsend“ zehn Jahre zu früh zum 75.Geburtstag gratuliert?
Was hat die Sendung außer schlechten Scherzen und billigem Tratsch nocht zu bieten? Da wäre zunächst und im wesentlichen die Rubrik „Neu im Kino“. Allmonatlich sollen dort sieben bis acht Filme, die jeweils aktuell in den deutschen Kinos anlaufen, mit kurzen Ausschnitten und wenigen Worten vorgestellt werden. Jeder Kino-Trailer ist im Vergleich zu dem, was dort geboten wird, geradezu ein Wunder an Ausführlichkeit. Kaum ahnt man, was gespielt werden könnte, hat Oscar schon den nächsten Streifen in der Mangel. Tempo, Tempo, Tempo, das ist das oberste, um nicht zu sagen, einzige Strukturprinzip. Der Informationsgehalt geht dabei zwangsläufig gegen Null. Was bleibt dem vom permanenten Schnittstakkato drangsalierten Zuschauer anderes, als auf Durchzug zu schalten? Dabei hätte er noch etwas lernen können. Denn en passant erklärt Oscar auch, was die Filme von Brian de Palma so spannend macht. Der Thrill entsteht, wenn sich die Kamera aus der Perspektive des Mörders dem Opfer langsam nähert. Hätten Sie es gewußt? Aber nicht genug damit. In den dreißig Minuten Sendezeit wird zusätzlich noch das filmische Schaffen von Paul Newman abgehandelt, ein Wiedersehen mit Alfred Hitchcock arrangiert und ein Interview mit Sigourney Weaver geführt. Und, und, und. Das meiste werde ich vergessen haben. Was allerdings haften blieb, läßt kaum Gutes erwarten von den zumindest elf fest eingeplanten weiteren Folgen.
Marcel Hartges
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