piwik no script img

Zu Hause wartet die Arbeitslosigkeit

■ Nur wenige kommen am alten Arbeitsplatz unter / Die Öffnungspolitik findet kaum internationale Unterstützung

Jedem Flüchtling, der zurückkehrt, werden im ersten Jahr 30 Dollar monatlich gezahlt. Außerdem erhält er eine einmalige Pauschale von 200 Dollar. Zwar erhalten die zwangsrepatriierten Personen alle den monatlichen Betrag, die Pauschale aber bekamen sie nicht gezahlt. Das Arbeitsministerium, dem das UNHCR die entsprechende Summe bereits überwiesen hatte, erklärte dazu, auch die Pauschale solle den Flüchtlingen zukommen, wenn die Kosten für die Aufnahme, erste Verpflegungs-, Unterbringungs- und Reisekosten von dem Betrag abgezogen worden seien.

„Für die Flüchtlinge ist die Zahlung der Pauschale eine entscheidende Angelegenheit“, sagt Charles, der UNHCR-Chef in Hanoi. „Als sie das Land verließen, haben sie alles verkauft, Werkzeuge, Nähmaschinen, was auch immer ihnen Handel und Handwerk ermöglicht hatte. Wenn sie jetzt zurückkommen, dann müssen sie natürlich alles wiederbeschaffen, um wieder irgendeine einträgliche Arbeit machen zu können.“

Eine Arbeit zu finden erweist sich als größtes Problem der heimkehrenden Flüchtlinge. Frau Nguyen, die Apothekerin gewesen war, erklärt, sie habe sich nicht wieder auf ihre alte Stelle beworben. Bei der derzeit in Hanoi herrschenden Arbeitslosigkeit sei sie sich ohnehin sicher, keine Anstellung zu finden. Inoffiziell bestätigte ein Angestellter des Arbeitsministeriums, fast die Hälfte der Bevölkerung von Hanoi sei arbeitslos.

Frau Pham wird indessen an ihren früheren Arbeitsplatz zurückkehren, sobald sie sich eine Nähmaschine gekauft hat. Ihre Eltern, die in der gleichen Näh-Kooperative arbeiten, konnten das mit der Leitung klären.

Vom Ingenieur

zum Strassenhändler

Die meisten anderen zwangsrepatriierten Flüchtlinge haben Arbeit im ständig wachsenden privaten Sektor gefunden, hier verdingen sie sich vor allem als Straßenhändler, die überall im Lande importierte Waren verkaufen. Nguyen Thi Than, der vor seiner Flucht Ingenieur war und kürzlich zurückkehrte, verkauft heute chinesische Äpfel und Bier in den Strassen von Hanoi an Touristen aus Osteuropa. „Das ist ein anderes Vietnam, als das, das ich damals verließ“, sagt er. „Wer hart arbeiten will und Initiative zeigt, der hat heute wirklich gute Chancen. Die staatliche Liberalsierung hat der Wirtschaft auf die Füsse geholfen und den Lebenstandard der Einzelnen gehoben.“

Viele Vietnamesen glauben allerdings, daß weder der neue Liberalismus im Lande noch das britische Programm der Zwangsrepatriierung den Flüchtlingsstrom aus Vietnam aufhalten können.

„Nur wenn der Rest der Welt die Isolation beendet, die Hilfs- und Handelsembargos aufhebt, Vietnam wieder in die internationale Staatengemeinde aufnimmt und mit einer Vielzahl bilateraler Hilfsabkommen einspringt“, sagt der Mitarbeiter einer ausländischen Hilfsorganisation in Hanoi, „werden die Chancen erhöht, diesen Massenexodus einzudämmen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen