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ARD will auf Information setzen

■ Die Schwerpunkte des Fernsehjahres 1990 im Ersten heißen Politik und Altbewährtes

Da hatte Starreporter Cord Schnibben das öffentlich -rechtliche Gefüge der neun ARD-Anstalten seziert und war zu einem niederschmetternden Befund gekommen: träge, unflexibel und vom Parteienproporz gelähmt sei Fernsehen im ersten Programm. Gänzlich anderer Tenor: „Prompter und eindrucksvoller als mit unserer DDR-Berichterstattung“, lobte Programmdirektor Konrad vom Hessischen Rundfunk jetzt die Arbeit der ARD-Politikredaktion und ihrer Reporter, „konnte der 'Spiegel‘ nicht widerlegt werden.“

Die Fernsehmacher sind sicher: In Umfang und Qualität der aktuellen Politik-Berichterstattung lag die ARD an erster Stelle. Auch die Einschaltquoten hätten Spitzenwerte erreicht. Und weil es nach Meinung ihres Politikkoordinators Martin Schulze eine „Renaissance der Information“ gibt, will man diesen Vorsprung ausbauen.

Dafür bieten sich in diesem Jahr mehr Gelegenheiten als genug. Die DDR-Wahl am 6. Mai, die Bundestagswahl im Dezember und dazu noch vier Landtagswahlen (Saarland, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bayern). Konzentrieren wollen sich die ARD-Anstalten jedoch auf den Urnengang im anderen Deutschland.

So soll es zu den Hauptsendungen aus dem Wahlkampf allein fünf einstündige Hearings geben. Zu den Themen Marktwirtschaft und Sozialismus, Zukunft der deutschen Staaten, Umweltpolitik, Regierungsfähigkeit der oppositionellen Parteien und SED soll live aus der DDR gesendet werden, die Bevölkerung der DDR soll dabei selbst zu Wort kommen.

Neben dem aktuellen Angebot wollen die Programmplaner künftig mehr Hintergrundinformation und Analyse präsentieren. Der Erfolg von „Brennpunkt„-Sendungen mit einer Einschaltquote von durchschnittlich 14 Prozent (drei mehr als 1988) ist einer der Auslöser für diesen Schritt.

Das Thema DDR reicht auch in andere Programmgebiete hinein. Stolz wurde in Hamburg die Verabredung zu einem deutsch -deutschen Fernsehkrimi bekannt gegeben. „Tatort„-Kommissar Schimanski soll in Zusammenarbeit mit den Ermittlern der DDR -Serie „Notruf 110“ versuchen, eine an den Fall Schalck -Golodkowski angelehnte Kriminalstory zu lösen.

Die Zusammenarbeit mit dem DDR-Fernsehen nimmt in allen Bereichen zu, Kooperationen sind in der Unterhaltung ebenso geplant wie in der Sportberichterstattung. Dennoch soll auch die eigene Politikeberichterstattung in der DDR ausgebaut werden. Das ARD-Büro in Ost-Berlin wird personell und technisch aufgestockt; drei Korrespondenten und zwei feste freie Mitarbeiter berichten künftig aus dem anderen deutschen Staat.

Bei allem Neuen: Die ARD will an den bewährten Programmteilen festhalten - seien die auch noch so ausgelutscht. So wird derzeit schon die Serie „Kir Royal“ um Klatschreporter Baby Schimmerlos (Franz Xaver Kroetz) ebenso wiederholt wie „Liebling Kreuzberg“ mit Manfred Krug. In der „Lindenstraße“ ist ein Ende auch in diesem Jahr nicht abzusehen.

Ein Programmgebiet geht in der kiloschweren Pressemappe beinahe unter - nur wenige dünne Blätter widmen sich dem Sport. Fände nicht in diesem Jahr die Fußballweltmeisterschaft statt, die ARD hätte neben der Übertragung von Eiskunstlauf-Europameisterschaften und dem Hockey-Weltcup in Pakistan kaum etwas zu bieten.

Zu deutlich haben sich die Privatsender, allen voran RTLplus, in der Sportberichterstattung breit gemacht, zahlen für die Übertragungsrechte jeden Preis. Hintergrund und Analyse werden wohl auch hier die Printmedien bringen müssen. Oder hat Boris Becker seine Sympathie zu den Aktionen in der Hamburger Hafenstraße vor einer Fernsehkamera zum Ausdruck gebracht? Na bitte.

Axel Kintzinger

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