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Peking entläßt reuige Häftlinge

573 Demonstranten der Demokratiebewegung aus dem Gefängnis entlassen / Doch noch sitzt eine unbekannte Zahl in Haft / Bislang wurden gegen Regimekritiker harte Strafen verhängt  ■  Aus Peking Boris Gregor

Die chinesischen Sicherheitsbehörden haben 573 sogenannte „Gesetzesbrecher“ entlassen, die in der Demokratie-Bewegung im vorigen Jahr aktiv waren. Alle hätten sich, so die offizielle Nachrichtenagentur 'Xinhua‘ gestern, schuldig bekannt und „Reue gezeigt“. Solche Leute, hieß es, könnten mit Milde rechnen. Ein Polizeisprecher laut 'Xinhua‘: „Unsere Politik ist jeden zu erziehen, der erzogen werden kann.“

Ungesagt blieb indes, wieviele Bürger noch in den Gefängnissen und in den Zellen der Polizeireviere sitzen und auf ein Urteil warten. Viele der zahlreichen Inhaftierten haben kein Recht auf Besuch, und Verteidiger, selbst Verwandte kennen ihren Aufenthaltsort nicht.

Unklar ist auch noch, wieviele Teilnehmer an den Demonstrationen mittlerweile vor Gericht gestellt worden sind. Die bereits verhängten Strafen, soweit bekannt, sind zum Teil drakonisch. Intellektuelle sprechen von rund 50 Todesurteilen in Peking. Jüngst wurde ein 23jähriger Funktionär aus Fuzhou zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt, weil er, so der Vorwurf, „reaktionäre Slogans“ an Mauern geschrieben und die Mao-Statue „beschmiert“ habe. Gegen Führer der Demokratiebewegung wurde noch kein Urteil gesprochen.

Mancher Pekinger meint, die 573 seien nur deshalb freigelassen worden, weil die Behörden in den Zellen Platz schaffen müßten - etwa für Prostituierte, Zuhälter, Spieler und Frauenhändler. Gegen die ziehen die Genossen im Rahmen der Kampagne gegen die sechs Sünden (Prostitution, Pornographie, Frauen- und Kinderhandel, Glücksspiel, Aberglaube und Drogengeschäfte) in diesen Wochen energisch zu Felde. Andere vermuten, die Partei wolle mit der Freilassungsaktion die Bürger vor dem Frühlingsfest Ende Januar milde stimmen und verlorene Sympathien zurückgewinnen.

Dazu zählt auch die jüngste Kampagne gegen korrupte Genossen, die aus den ruhmreichen Reichen der 48-Millionen -Mitglieder-KP zukünftig ausgeschlossen werden sollen.

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