Jasow rechtfertigt Armeeeinsatz im Kaukasus

Verteidigungsminister Jasow, Exponent des konservativen Flügels des Zentralkomitees der KPdSU, äußert sich als erster aus der Moskauer Zentrale zur Bürgerkriegssituation in Armenien / Berg-Karabach-Komitee spricht von anti-armenischen Tönen aus Moskau  ■  Aus Moskau Barbara Kerneck

Als erster Vertreter der sowjetischen Regierung hat in den frühen Morgenstunden des Donnerstag Verteidigungsminister Jasow eine politische Wertung der Bürgerkriegssituation in Armenien und Aserbeidschan vorgenommen. Jasow, der gleichzeitig Kandidat des Politbüros ist, sprach anläßlich der wenige Stunden zuvor erlassenen Schießerlaubnis für die im Kaukasus befindlichen Truppen. Die Einberufung von Reservisten innerhalb von 24 Stunden zur Aufstockung der Truppen der Armee und des Innenministeriums in der Region um insgesamt 11.000 Mann am Mittwoch hatte offensichtlich in der sowjetischen Bevölkerung Besorgnis ausgelöst. Jasow bezeichnete diese Maßnahme als unabdingbar, um in den betroffenen Provinzen den Ausnahmezustand und eine Ausgangssperre durchzusetzen.

Während der Ausnahmezustand für einige Regionen von der Moskauer Zentralregierung im Erlaß des Präsidiums des Obersten Sowjet bereits zu Wochenbeginn erklärt wurde, liegt die Entscheidung über die Ausgangssperre bei den jeweiligen Obersten Sowjets Armeniens und Aserbaidschans. In der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku, wo bei den Ausschreitungen in den letzten Tagen Berichten von Flüchtlingen zufolge Menschen von Dächern und Fenstern gestürzt wurden, wurde noch keine Ausgangssperre verhängt. Ein Artikel in der 'Prawda‘ über die dortige Situation am Donnerstag thematisierte diese schwerwiegende Tatsache allerdings nicht, sondern berichtet unter der Überschrift „Der Verstand erhebt sich gegen den Jähzorn“ über einige Protestresolutionen örtlicher Betriebsbelegschaften gegen die Ausschreitungen.

Auch Jasow schenkt in seinen Äußerungen dem Umstand, daß es sich bei der gewaltigen Mehrheit von Opfern in der Zivilbevölkerung um Armenier handelt, ebensowenig Beachtung, wie der Möglichkeit, das Recht der Selbstbestimmung der zu über 90 Prozent armenischen Bevölkerung von Berg-Karabach in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Die meisten der bewaffneten Auseinandersetzungen, so Jasow, würden von örtlichen Aktivisten als Verteidigungsmaßnahmen gegen Angreifer dargestellt, in Wirklichkeit handele es sich um ein Verbrechen beider Seiten gegen die Konstitution, gegen das Gesetz und gegen ihre eigene Bevölkerung .

„Anti-armenische Töne“ im Erlaß des Politbüros und in der Berichterstattung der zentralen Presse, konstatierte in einem Telefongespräch mit der taz das Mitglied des Eriwaner Karabach-Komitees, Wasgen Manukian. Manukian, der gerade von einer Reise durch die Karabach benachbarten armenischen Provinzen zurückkehrte, berichtete, daß die Situation in der Provinz Gori in keiner Weise den dort von Moskau verhängten Ausnahmezustand rechtfertige und daß in ganz Armenien dagegen protestiert werde. Im Zusammenhang einer möglichen Ausgangssperre in Eriwan befürchtete Manukian eine massive Beeinflussung der dort für März vorgesehenen Wahlen durch das Militär. Bei einer Ausgangssperre können militärische Instanzen Personen langfristig ohne Anklage in Haft halten.

Nach den Ereignissen am 20. April dieses Jahres in Tbilissi, der Hauptstadt der Kaukasus-Republik Georgien, als über 20 friedliche Demonstranten von Soldaten getötet worden waren, behaupteten einige Aktivisten dortiger Organisationen, mit einer solchen Inhaftierung ohne Anklage erpreßt und bedroht worden zu sein. Die Wahl Jasows als ersten Kommentator für die jüngsten Ereignisse im Kaukasus mag insofern nicht ganz glücklich sein, als ihn eine parlamentarische Untersuchungskommission für die Tbilissier Ereignisse mitverantwortlich macht. Jasow gilt als neben Ligatschow als Vertreter des rechten Flügels im ZK.

Zu Fragen des Militärs im Kaukasus äußerste sich am Donnerstag in der 'Komsomolskaja Prawda‘ auch der Chef der Spezialtruppen, Innenminister Bakatin. Er erwarte von diesem Bürgerkrieg „noch die allerschwersten Folgen für uns alle“. Die Konzentration aller Sicherheitskräfte im Kaukasus lasse aber auch eine weitere Zunahme der organisierten Kriminalität in anderen Teilen des Landes wahrscheinlich erscheinen, befürchtete Baktin.

Waffensammlung in USA

New York (ap) - Eine Organisation von Amerikanern armenischer Herkunft hat nach Angaben einer Sprecherin mit dem Sammeln von Spenden begonnen, um den Armeniern in der UdSSR Waffen zur Verfügung stellen zu können.