: Erstmal die Hänger ausbügeln
■ S T A N D B I L D
(Off-Show - Wahrscheinlich guckt wieder kein Schwein, West 3, Samstag, 20 Uhr) Der Untertitel der neuen WDR -Unterhaltungssendung ist so fatalistisch wie treffend: Was soll einer Redaktion auch anderes einfallen, als F.K.Waechter zu bemühen, wenn sie gegen Rudi Carrell und die Mädels vom Immenhof anstinken muß. Der geladene Fernsehkritiker Dietrich Leder empfahl, statt gedrechselte Anti-Unterhaltung subkutan unter die Haut der elitär orientierten Nichtseher zu spritzen, doch lieber Raumschiff Orion ins Quotenscharmützel zu starten. Aber die Off -Show gab Ästhetik-Philister Bazon Brock die Ehre, der sichtlich nervös verkündete, daß nur diejenige Kunst wirklich avantgardistisch sei, die keiner angucken mag. Ich wollte schon ausschalten, um diesem fortgeschrittenen Klub der einsamen Intellektuellen den Abend nicht zu versauen, da schaukelte das Wort multikulturell wie eine Seifenblase durch den Raum, zerplatzte auf meiner Fernbedienung, erzeugte einen seifigen Film und ließ meinen Finger von der Taste rutschen.
Nein, nicht schon wieder diese alte Leier. Oder ist das schon multikulturell, wenn die Kölner Stinkfüße - genannt Bläck Föös - die südafrikanische A-cappella-Truppe Ladysmith Black Mambazo nachäffen und „Bütz mich“ statt „Kiss me“ trällern. Während Heinz Schenk - vom blauen Bock geritten versprach, Arm in Arm mit der grünen Streiterin Verena Krieger - nomen est omen - demnächst „Oh, du schöner Westerwald“ zu singen. An dieser Stelle zückte meine Freundin ein weißes Wegwerf-Taschentuch, schwenkte es und rief: „Hört auf, ich ergebe mich ja schon.“
Oh je, jetzt habe ich mich ganz schön reingeritten, wie soll ich da nur die Kurve zum Positiven finden? Denn eigentlich und überhaupt muß man solche Sendungen über den grünen Klee loben. Welche andere Unterhaltungsshow hat es geschafft, Frank Mill oder jedem beliebigen Fußballspieler eine lachreife Kunstinterpretation zu entlocken. Wo werden röhrende Platzhirsch-Pokale an Germanen-geile Volksliedgutphrasendrescher verliehen? Womit haben wir das alles verdient? Und welcher Bazon hat uns das alles eingebrockt? Und um es mit der Fußball-Nationalelf zu singen, die am Schluß der Sendung aufspielen durfte: „Wir sind schon auf dem Brenner, wie brennen schon darauf.“ Auf die nächste Live-Sendung aus dem Kölner Wartesaal. Nicht erst im März. Schon nächste Woche. Nur so kann den Carrells, Schautzers und Gottschalks die Frührente schmackhaft gemacht werden. Nein, wirklich, der Fehler ist nicht, daß das Team in der Debütsendung einige Hänger produzierte. Falsch wäre es nur, das Ganze nach dem einen oder anderen Buhruf wieder in der Versenkung verschwinden zu lassen, anstatt mit Ehrgeiz und durch ständige Übung eine echte Alternative zum Samstagabend-Unterhaltungsbrei zu entwickeln.
Christof Boy
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