Dies ist erst der Anfang!

■ Betr.: "Erklärung Berliner PhilosophInnen", taz vom 10.1.90

betr.: „Erklärung Berliner PhilosophInnen“, taz vom 10.1.90

Und Berliner PhilosophInnen bedenken laut eine Unkultur der Diskussionsverhinderungen. „Skandalöse Vorgänge“, die das „elementare Gebot argumentativer Toleranz“ verletzen.

Vernünftige Ethiker möchten in ungestörter Runde philosophieren. Konsistent und rational. Entscheidungsprobleme, die Fragen von Leben und Sterben betreffen. Angewandte Ethik. Eine Ethik, die mit Macht zur offenen Anwendung drängt. Praktische Ethik. Ethik einer Praxis, die schon längst (un)heimlich agiert. Noch genauer, durchdachter mit „einigen unserer geläufigen moralischen Vorstellungen“ aufräumen will.

Verantwortungsethik. Verantwortlich für einen „Personenbegriff“, der Angriff auf Menschen ist. Auf Menschen mit zugewiesenen „personalen Defiziten“. Verantwortlich für eine „Grundverpflichtung, Leiden zu vermeiden“. Eine Verpflichtung zum Mord an den Leidenden. Erlösungsmord. Denn das Töten der Menschen, denen die Kraft zum Widerstehen fehlt, genommen wurde, deren Leben, wie auch immer, bedingungslos, eigentlich, koste es was es wolle, unseren Schutz erforderte, ist Mord.

Da gibt es keine Auseinandersetzung.

Diese Ethik ist schlimmer als jeder Skandal. Sie ist normal. Sie ist rational. Sie gibt es, seitdem es Normalisierungen gibt. Seitdem es Rationalisierungen gibt. Es ist die Ethik der Aufräumer und Heilsversprecher: Maximales Glück für alle! Eine perfekte Zukunftsprognose! Größtmöglichen Nutzen! Die allerbesten Lebenschancen! Minimierte Risiken! Schmerzfrei, leidensfrei, totsicher!

Es ist die Ethik des optimierten Outputs, geordnete Entsorgung des Ausschusses inbegriffen. Diese Ethik „klärt moralische Probleme, indem sie deren Implikationen und Voraussetzungen offenlegt und so ein rationales Abwägen ermöglicht“. Hierzulande sogar mit „besonderer Sorgfalt“. Dieses sorgenschwere Geschäft gehört verdorben!

Willi Becker, Wiesbaden