Sportliche Falklands

Commonwealth-Games: Eine merkwürdige Veranstaltung  ■  PRESS-SCHLAG

Kommst Du als Journalist aus Deutschland in diesen Tagen ins Neuseeländische, schlägt Freude dir allüberall entgegen. Ach, das sei ja toll, man sei sicher eingeflogen, um über die Commonwealth-Spiele zu berichten. Der bedauernde Einwand des Journalisten, nein, diese Veranstaltung interessiere doch nun wirklich niemanden in Germany, wird sehr verständnislos zur Kenntnis genommen. Schließlich handelt es sich dabei um so was wie eine Kleinolympiade aller Familienmitglieder dieser königlich-britischen Reichtumsgemeinschaft aus triumphaleren kolonialen Epochen. Wegen der Südafrika-Eskapaden britischer Sportler und Thatchers langer Apartheid-Leitung sind die Commonwealth -Games alle Jahre wieder von Boykotts bedroht. Diesmal war es die Tournee eines englischen Cricket-Teams durch Südafrika (siehe nebenstehenden Artikel), die für Wirbel sorgte, erst am Montag entschieden sich die schwarzafrikanischen Länder, dennoch an den Spielen teilzunehmen.

Wie recht die Kiwis haben, uns Ignoranten zu schimpfen! Allen Grund, sich geehrt zu fühlen, hat das kleine Drei -Millionen-Völkchen schon allein deshalb, weil es im Jubeljahr 150 nach dem schlitzohrigen Vertrag von Waitangi mit den eingeborenen Maoris Gastgeber sein darf. Immerhin kommt die Vorsteherin des Hauses Windsor, die 2.Elisabeth -Queen, zwar nicht als Teilnehmerin, aber immerhin, um mit königlichem Hauch am 3.Februar die Schlußworte zu intonieren. Die Spiele brachten schon vorab zwei neue Eiscremesorten und die totale Vermarktung, etwa durch „DB draught - das offizielle Bier der Spiele“.

Und die sportbegeisterten Menschen hier tief unten im Pazifik freuen sich schon vor auf die eigenen Größen wie Madonna Harris, die in Calgary den Abfahrtslauf per Ski überlebte und jetzt im Radfahren nach den Medaillen greift. Oder auf John Walker, den 38jährigen Altmeister über die Meile, schon 1972 in München dabei, der immer noch durchs Oval keucht.

Aber die wahre Bedeutung ermißt sich im breit angelegten Teilnehmerfeld mit der Rekordzahl von fast 3.100 Athleten und Athletinnen aus 56 Ländern. Die ganze Größe des Empire liest sich nicht an Teilnehmerstaaten wie Kanada, England selbst oder Australien ab, sondern an so bedeutenden Sportnationen wie Guernsey, Brunei, Isle of Man, Gibraltar, Malawi, Tonga oder Trinidad/Tobago. Leider konnten aus finanziellen Gründen St. Helena, Tuvalu und Belize niemanden vorbeischicken.

Dafür sind aber die Falklands dabei. Britanniens (vorläufig) zuletzt eroberte Bastion kommt nicht etwa mit kriegsgestählten Schützen, sondern mit zwei 10.000-Meter -Spezialisten. Schon ihre Anreise war ein Marathon eigener Art: über 48 Stunden im Flugzeug, denn aus gegebenen Gründen kann man von den Falklands nicht mal eben nach Buenos Aires übersetzen und den kurzen Weg über den Südpazifik nehmen. Die beiden Langjogger mußten erst mit der Royal Army nach London und von dort nach Auckland. Immerhin werden sie business everywhere - von einer falkländischen Fischfabrik gesponsort, hatten aber Schwierigkeiten, die erforderliche Qualifikationszeit statutengerecht zu absolvieren.

Die Falklands haben nämlich keinerlei Laufbahn. So fanden die Ausscheidungswettkämpfe auf dem Militärflughafen von Stanley statt: fünfmal rund um die Startbahn waren 10.000 Meter. Daß der entscheidende Lauf zwischenzeitlich verschoben werden mußte, weil gerade ein Flugzeug landete, nahmen die beiden, Peter Biggs, ein Steuerbeamter, und William Goss, ein Farmer, gern in Kauf. Goss gilt im übrigen als Allroundtalent: Er spielt Fußball im einzigen Stanley -Club, ist einer der besten falkländischen Ochsenjockeys, Hürdenreiter hoch zu Roß und hält den Landesrekord im Schafscheren: 242 pro Tag.

Solche Athleten machen die Commonwealth-Games wirklich zu einer reichhaltigen Veranstaltung. Nicht solche Smarties wie Maggie Thatchers schnellster Unterhauskandidat Sebastian Coe oder die schwarzen Lauflegenden aus Kenia oder Nigeria, dem sozialistischen Zacken der Krone. Deren Topstars wie Egbunike, Paul Ereng und Rono haben die Bedeutung der Royal Olympics nicht erkennen wollen und waren von ihrem Wohnsitz in den USA nicht extra zu den Ausscheidungsrennen in die afrikanische Heimat geeilt. Diese Ignoranten! Diese Antiroyalisten! Mögen sie sich ein Beispiel nehmen an den Misters Biggs und Gross.

Bernd Müllender