: Von Sowjetbürgern und anderen
■ Clowneskes von „Mimikritsch“ und „Bim-Bom“ im Schlachthof
„Moskauer Lichter„nennt sich das Programm der beiden Ensembles „Mimikritschi“ aus Kiew und „Bim-Bom“ aus Moskau, das zur Zeit im Schlachthof gezeigt wird. Allerdings geht es da weniger um eine lichtreiche Show als vielmehr um spotlights, die die Eigenheiten der Menschen (und nicht nur der Sowjetbürger) beleuchten.
Vor schwarzem Hintergrund wird in clownesken Szenen Menschliches wie Schadenfreude und bohrende Neugierde auf liebenswerte Weise auf's Korn genommen. Ein Mannequin flirtet
mit einem Mann - dieser entpuppt sich schließlich als Kleiderständer. Nach einer Zeitungspapierschlacht sorgt ein „Staubsauger“ wieder für Ordnung - mit der sprichwörtlichen sowjetischen „Effektivität“, denn er läßt sich von drei Künstlern den Abfall bringen. Eine echte Perestroikanummer ist auch dabei: Das Lied „Amerika“ aus den USA und „Meine grenzenlose Heimat“ aus der UdSSR werden synchron gesungen, bis sie zu einer kitschig-harmonischen Einheit incl. rotem Bannerträger werden.
Die zweite Hälfte des Pro
gramms beginnt artistisch und nachdenklich. Wladislaw Wonjatizkij aus der Kiewer Gruppe zeigt „Streben nach dem Unmachbaren“, indem er atemberaubend mit einem würfelförmigen Aluminiumgestell agiert. Kritisch kommen dann die Moskauer daher, wenn sie die Gorkistraße besingen, jenen Treffpunkt für all die, die genug Dollar und Rubel haben.
Nach einer gelungenen Modern-Talking-Parodie folgt die sicherlich witzigste Nummer. Ein Kammerquartett bereitet sich umständlich vor, ein Stück zu spielen: auf Fahrrad-, Motorrad-und Autoreifen. Zum Abschluß ein artistischer Breakdance, eine vermantschte Collage eines Liedes der Wolga -Treidler und ein großes, „verbindendes“ Finale.
Während des gesamten Auftritts wurde immer wieder das Publikum auf sympathische Weise einbezogen. So wurde eine Zeitungs-und Reifenschlacht inszeniert, in Zuschauer durfte sich vor der Bühne etwas einfallen lassen, um wieder zu seiner Jacke zu kommen. Für ihr Programm ernteten die beiden Gruppen aus der Sowjetunion begeisterten Applaus, der zwei Zugaben brachte. Wer sich noch bis zum 3.2. (außer am 1.2.) um 20 Uhr in den Schlachthof begibt, dem ist ein kurzweiliger und amüsanter Abend sicher.
Jan Autenriet
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen