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ÜBERGEDICHTET

■ Das Gastspiel „Guten Morgen du Schöne“ nach Maxi Wander im Hebbeltheater

Wippend sitzt sie auf dem Drehstuhl: das DDR-Girl mit Lederkäppi und Walkman, platzt los über ihren Erfolg beim neuen Onkel, den sich die Mutter an Land gezogen hat, hört zwei Sekunden lang autistisch nickend ihrem Walkman zu und plappert weiter über den Selbstmord des ins Altersheim abgeschobenen Opas. So sind sie, die jungen Leute in der DDR (und anderswo), will uns die Szene sagen, nein, so sind sie nicht, bewußtlos-dümmlich-forsch, sie sagen wohl dasselbe, aber anders. Christiane Zeiske spielt Gabi A., 16jährige Schülerin, wie eine Komikfigur, macht sie zum Typ wie vorher die Alte, die in dehnend langsamer Sprechweise ihr Leben Revue passieren läßt und alle Klischees zahnloser Einfältigkeit bedient.

Es liegt nicht an den Texten, die den Frauenprotokollen von Maxi Wander folgen, sondern an der stets schwierigen Theatralisierung von Literatur. Unter der Regie von Peter Kuiper, der das Stück zusammen mit der Darstellerin aller Rollen auf einer Tournee entwickelt hat, wurde das kleine Kammerspiel zuerst am Düsseldorfer Jungen Theater in der Altstadt aufgeführt. Vielleicht saß man da noch ein bißchen weiter weg von der Bühne; der bis ins Letzte ausgenützte Schlauch des Hebbeltheaterfoyers verlangt mehr Intimität, mehr Wechselwirkung mit dem Zuschauer, als es ein gut einstudiertes Rollenspiel erlaubt. Muß man sich, um sich von der lasziven Serviererin in die strenge Lehrerin zu verwandeln, eine andere Bluse anziehn und die Lippen abwischen? Maxi Wanders Protokolle benötigen nicht die Illustration, keine Klaviermusik, keine Pausen-Gedichte über Huren, vorgetragen vom Regisseur. Sie brauchen nur eine Schauspielerin wie Christiane Zeiske, die dann überzeugt, wenn sie ihr komödiantisches Talent entfalten darf: als Steffie M., die sich von der DDR-Werktätigen zur Hausfrau und Mutter („mit nur einem Kind! Dazu gehört Mut!“) emanzipiert und sich im übrigen in einer Art weiblicher Renitenz verwirklicht, die im Westen als reaktionär gelten würde - so verkehren sich die Kriterien. Oder als resolut wirkende Lehrerin Doris L., die beweist, daß Gleichstellung im Arbeitsleben und sexuelle Selbstbestimmung nicht zusammengehören - ein Flirt mit einem Tschechen auf einer Skireise sprengt die Ehe, bringt aber wenigstens Ruhe vor sexueller Belästigung durch den Gatten. In diesen kurzen Lebensabrissen, die in den Scheinwerfer gesprochen werden, als stünde da Maxi Wander, genügt ein Bruch in der Stimme, ein Wechsel im Tonfall, um die theatralische Inszenierung der Befragten als Selbstbetrug zu offenbaren, ohne sie zu denunzieren. Und hier, wo sich das banale Private mit den großen Lebensentwürfen kreuzt, die akzeptierten Rollenerwartungen mit Wohlstands-, Aufstiegs- und Selbstverwirklichungsträumen überschneiden, treffen sich die Frauenprotokolle einer scheinbar so veränderten sozialistischen Republik mit denen, die Maxi Wander heute in der scheinbar so emanzipierten Bundesrepublik aufschreiben könnte, wäre sie nicht mit 43 Jahren an Krebs gestorben.

DoRoh

Weitere Vorstellungen im Hebbeltheater am 26.Februar und am 8.März.

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