: Jämmerlich leere Ränge
■ Dritter Teil der Serie „Sportstätten in Berlin“: Das Mommsenstadion im Eichkamp, die real existierende Alternative zum heißumkämpften Moabiter Poststadion
Der Blitz aus der Frankfurter Zentrale des Deutschen Fußballbundes brachte es an den Tag: Berlin besitzt bereits ein geeignetes „Zweitstadion“ neben dem Olympischen Rund und somit einer Alternative zum heißumkämpften Poststadion, das mittlerweile sogar für alle DFB-Spiele gesperrt werden mußte.
Falls das Olympiastadion nicht bald bespielbar sei, drohte der DFB zu Beginn der Rückrunde 1989/90, dann müßten die Fußball-Zweitligisten Hertha BSC und Blau-Weiß 90 ihre Spiele gefälligst im Mommsenstadion austragen. Selbstverständlich hängte der Berliner Fußballverband (BFV) diese Nachricht nicht an die große Glocke - sie widerspricht den BFV-Wünschen nach Neuerrichtung einer reinen Fußball -Arena anstelle des maroden Poststadions.
Denn das Mommsenstadion im Eichkamp erfüllt allemal Zweitligaansprüche. Erst Ende September wurde auf dem Hauptspielfeld an der Rudolf-Harbig-Straße eine 3,8 Millionen Mark teure Flutlichtanlage installiert, die mit einer Spitzenleistung von 850 Lux farbfernsehgerechte Bilder liefert. Als nächsten Modernisierungsschritt plant das Bezirksamt Charlottenburg eine Umwandlung von Steh- in Sitzplätze, was das derzeitige Fassungsvermögen (15.000) auf 13.200 Zuschauer verringern würde. Hertha und Blau-Weiß hätten Mühe, die Ränge zu füllen. Nicht einmal der Erstligist (!) SVW Mannheim kann momentan in seinem flutlichtlosen - Stadion am Alsenweg mehr Leute unterbringen, obwohl er auf ein Vielfaches des Zuschauerdurchschnitts von Blau-Weiß 90 zu verweisen mag.
Auch um das Mommsenstadion entbrannte einst - das Poststadion läßt grüßen! - ein Streit um die weitere Nutzung. Die Leichtathleten des renommierten SC Charlottenburg (SCC), in Eichkamp beheimatet, drängten Anfang der 70er Jahre auf eine Verbesserung der Stadionanlage. Dieses Ansinnen fand keine Zustimmung im parlamentarischen Hauptausschuß des Abgeordnetenhauses. Erst als die Fußballer von Tennis Borussia, gleichfalls „Hausverein“ an der Harbig-Straße, ihr Stadion für eine weitere Zweitliga-Saison (1974/75) aufrüsten sollten, machte der Senat Geld locker. 300.000 Mark waren im Nachtragshaushalt bereits vorgesehen, da fielen die Veilchen aus der Rolle: Sie stiegen ins Bundesliga-Oberhaus auf und wechselten ins Olympiastadion! Erst mit Beginn der Krise im städtischen Fußball - die einstigen Flaggschiffe Hertha BSC und TeBe fanden sich jäh in der Unterklassigkeit wieder erinnerte man sich des Mommsenstadions. TeBe und die SCC -Kicker jagten hier dem Zweitligaleder hinterher. Auch heute noch spulen beide Klubs vor den jämmerlich leeren Rängen des Mommsenstadions ihr Oberliga-Pensum ab. Der Sportstätte, die zu höheren Aufgaben befähigt ist, wird dies keineswegs gerecht. Doch in den Augen der BFV-Führungsriege disqualifiziert sich der Hauptspielplatz offensichtlich von selbst. Wer hat nur diese störende 400-Meterbahn ins Stadion gelassen?
Jürgen Schulz
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