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Die Flucht nach vorn

■ Miriam Vogt in der Abfahrt von Santa Caterina gleich hinter Figini / Hannes Zehentner überzeugt auf Autobahn

Berlin (taz) - „Außer Stricken und Mode haben sie nichts im Kopf“, höhnte die Olympiasiegerin Marina Kiehl noch vor gar nicht langer Zeit über ihre Teamkolleginnen im alpinen Skizirkus. Inzwischen jedoch scheint der Intellekt Einzug gehalten zu haben in den bundesdeutschen Weltcup-Kader. Abiturientinnen und Studentinnen bestimmen das Bild, und entsprechend sehen die Wege zum Erfolg aus. „Man muß sich gut organisieren“, sagt zum Beispiel Miriam Vogt, Studentin der Betriebswirtschaftslehre im fünften Semester, die im Abfahrtslauf von Santa Caterina hinter der Schweizerin Michela Figini den zweiten Platz belegte.

Vor einem Jahr war die 22jährige Starnbergerin wegen Leistungsschwäche noch in den bayerischen Landeskader zurückgestuft worden, was sie „hart getroffen“ hatte. Mit wissenschaftlicher Akribie bereitete sie ihr Comeback vor, eine „Flucht nach vorn“, die sie schnurstracks auf das Siegespodest von Santa Caterina führte. „Dieser zweite Rang“, analysierte Miriam Vogt, „ist ein Endprodukt meiner Arbeit. Ich ernte jetzt die Früchte, die ich in den vergangenen Jahren im Training, in der Konditionsarbeit, in der Verbesserung der Technik gesät habe.“

Bis 1988 hatte die 1,78 Meter große Athletin neben dem Skilauf noch das Rudern als Leistungssport betrieben, eine Disziplin, die offenbar arg zum Grübeln anregt. Begründet durch das Rudern, so Abfahrtstrainer Hujara, habe Miriam Vogt früher zu stark „nachsinniert“. Seit sie sich jedoch voll auf das Skifahren konzentriere - Vogt: „Man muß sich Schwerpunkte setzen“ - sei sie lockerer und in der Lage, die Kopfarbeit in Kreativität umzusetzen.

Nach dem Abfahrtslauf stand am Samstag auch noch der Super -G auf dem Programm von Santa Caterina. Es gewann die Österreicherin Sigrid Wolf vor der Französin Carole Merle und Petra Kronberger (Österreich). Michaela Gerg kam wie schon im Abfahrtslauf auf den vierten Platz. Ebenfalls Weltcup-Ränge erreichten Karin Dedler (7.), Regine Mösenlechner (12.), Ulrike Stanggassinger (13.) und Traudl Hächer (15.), insgesamt eine recht erfolgreiche Bilanz, die Skipool-Chef Heinz Krecek sehr hübsch in Zahlen ausdrückte: „Dieser Tag kostet mich für die Damen über 40.000 Mark an Prämien.“

Gestern im Riesenslalom waren noch mal die Österreicherinnen an der Reihe. Es gewann Petra Kronberger, die ihre Führung im Gesamt-Weltcup ausbaute, vor Anita Wachter und der Schweizerin Zoe Haas. „Ich war so narrisch, weil ich im ersten Lauf so einen Scheiß gefahren bin“, sagte nach dem Rennen Michaela Gerg, die nach einem verkorksten ersten Lauf von Wut gepackt wurde, im zweiten Durchgang Bestzeit fuhr und noch auf den siebten Rang kam.

Die Männer hätten an diesem Wochenende eigentlich die traditionsreiche und schwierige Lauberhorn-Abfahrt in Wengen hinunterbrausen sollen. Schneemangel sorgte jedoch für eine frühe Absage dieses Spektakels, und der ganze Troß zog um nach Val d'Isere. Dort gab es wahrhaftig Schnee, sogar ganz frischen, und ebender sorgte dafür, daß die ohnehin nicht sehr anspruchsvolle Strecke vollends zur „Autobahn“ wurde, wie die Skiläufer derartig unkomplizierte Abfahrten gern nennen. Entscheidend war vor allem, wer den richtigen Ski und das richtige Wachs erwischte. Die meisten Fahrer rasten fast fehlerfrei, stets in idealer Abfahrtshocke, zu Tal, dennoch waren die Abstände gigantisch. Weltmeister Tauscher etwa hatte sich einen besonders langsamen Ski angeschnallt und wurde 60., fast sechs Sekunden hinter dem Sieger Helmut Höflehner (Österreich), der diesmal den Norweger Atle Skaardal auf den zweiten Platz verwies. Beim Hahnenkamm -Rennen in Kitzbühel hatte Skaardal die Nase noch um zwei Hundertstel vorn gehabt.

Außer Tauscher tappten auch die meisten anderen deutschen Läufer bei der Wahl des Materials ziemlich daneben. Ausnahme: Hannes Zehentner, der dem aussterbenden Beruf des Grenzschützers nachgeht, Achter wurde und sich als Liebhaber des Authentischen erwies: „Das war mein Rennen, denn nur auf echtem Schnee komme ich zurecht.“

Matti

Gesamt-Weltcup der Frauen: 1. Petra Kronberger (Österreich) 245 Punkte, 2. Anita Wachter (Österreich) 228, 3. Michaela Gerg (Lenggries) 199, 4. Vreni Schneider (Schweiz) 152, 5. Maria Walliser (Schweiz) 146, 6. Michela Figini (Schweiz) 109, 7. Karin Dedler (Dietmannsried) 93.

Gesamt-Weltcup der Männer: 1. Zurbriggen (Schweiz) 223, 2. Ole-Christian Furuseth (Norwegen) 180, 3. Armin Bittner (Krün) 144, 4. Günther Mader (Österreich) 133, 5. Paul Accola (Schweiz) 100.

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