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Aktionswoche gegen Wohnungsnot

■ Ein Bündnis von über 60 Initiativen und Gruppen will in dieser Woche auf den Wohnungsmangel aufmerksam machen / „Bevorzugung von Übersiedlern einstellen!“ ist eine ihrer Forderungen

„In Berlin herrscht Wohnungsnotstand“ kann man seit einer Woche auf zahlreichen großformatigen Plakaten lesen, auf denen sich ein Mensch unter einer Zeitung verkriecht. Das ist der Auftakt zu einer Aktionswoche gegen Wohnungsnot, zu der ein Bündnis von über sechzig Initiativen aufruft, darunter der Berliner Mieterverein, die Mietergemeinschaft, zahlreiche Sozialberatungsstellen, Treberhilfen und Wohnprojekte. Die Woche begann gestern mit Infoständen in allen Bezirken. Am morgigen Mittwoch folgt eine Kundgebung auf dem Breitscheidplatz mit Musik, Reden und Aktionen des Büros für ungewöhnliche Maßnahmen. Am Donnerstag abend stehen in der Tiergartener „Pumpe“ Verantwortliche Rede und Antwort zur Wohnungsnot, darunter Bausenator Nagel, Sozialsenatorin Stahmer und Vertreter der Hausbesitzer.

Auf dem Wohnungsmarkt schlug die Zwei-Drittel-Gesellschaft voll durch. „Dauernd wurde geklaut und alles war verdreckt, das war nicht mehr auszuhalten“, berichtet Alfred E., Briefträger und Graphik-Designer und seit acht Monaten obdachlos. Aus der „Läusepension“ zog er aus und fand ein Einzelzimmer eines ebenso engen und dreckigen Hotels. „Dafür zahlt das Land Berlin über tausend Mark im Monat“, sagt er. Krankenhäuser und therapeutische Einrichtungen sind als Übergangswohnheime zweckentfremdet. Projekte, die AIDS -Kranke, Jugendliche, Haftentlassene, Flüchtlinge oder Mütter aus dem Frauenhaus betreuen, finden für ihre Schützlinge keine Wohnung mehr. „Ich habe mich um 120 Wohnungen beworben, alles, was ich bekommen habe, waren 15 Absagen“ erzählt Eva D., Mutter von vier Kindern, die seit Monaten im Frauenhaus lebt. Christian H., seit anderthalb Jahren wohnungslos, hat deshalb sogar seine ABM-Stelle verloren. Aber auch der „Normal-Mieter“ ist betroffen. „Bei der Wohnungssuche wird fast alles unterschrieben, Zeitverträge, Wuchermieten“, so die Mietergemeinschaft.

Da die bisherige Senatspolitik bei weitem nicht ausreicht, fordert der Arbeitskreis, sämtliche Bevorzugungen von Aus und Übersiedlern unverzüglich einzustellen. „Die sollen sich in die Schlange anstellen wie alle anderen“ sagt Reiner Wild vom Berliner Mieterverein. Der Kooperationsvertrag mit städtischen Gesellschaften habe nicht viel gebracht, deshalb verlangt der Arbeitskreis die Rückkehr zur alten Regelung. Nach dieser haben die Wohnungsämter den städtischen Gesellschaften drei Mieter vorschlagen können, davon habe die Gesellschaft einen nehmen müssen. Weiter fordert der Arbeitskreis eine konsequentere Leerstandbeseitigung. Derzeit sei eine einheitliche Linie des Senats nicht erkennbar. Es dürfe keine Abrisse und keinen planungsbedingten Leerstand mehr geben, statt dessen sollten Zwischennutzer in solche Wohnungen. Wohnungstausch und Untervermietung müßten auch ohne Zustimmung des Vermieters möglich sein. Außerdem sollten, so der Arbeitskreis, Quartiere für Obdachlose von Staats wegen betrieben werden, statt, wie jetzt, von privat.

Kundgebung, Breitscheidtplatz, 31.Januar, 14.00 bis 18.00 Uhr.

Podiumsdiskussion „Wohnungsnot - was tun?“, Pumpe, Lützowstraße 42, 1.Februar, 19.30 Uhr.

esch

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