Wild-West in Süd-Ost36

■ Schüsse auf den Laden des Vereins SO36 in der Wrangelstraße / Keiner weiß, wer's war / Polizei muß erst einmal einen Vorgang anlegen / Mitarbeiter streiken

Sechs Schüsse fielen auf den Laden des Vereins SO36 in der Wrangelstraße im Kreuzberger Südosten am Freitag abend. Die Tür ist durchlöchert und nun notverglast, Projektile wurden nicht gefunden. „Wir wissen nicht, ob das nun ein Gewehr war oder eine Zwille, aber irgendwie müssen die Löcher ja in's Glas gekommen sein“ sagte ein Vereinsmitarbeiter. Die Spurensicherung der Kripo war trotz Anfrage noch nicht vor Ort.

Den Mitarbeitern in der Wrangelstraße reicht es nun: Sie streiken. Gestern blieb der Laden geschlossen, ab heute streiken vermutlich auch die anderen drei Läden und stellen die Mieterberatung ein. Endgültig darüber beschließen wird heute eine Mitarbeiterversammlung. Auch die Leute, die sich im Vereinsbüro um Obdachlose kümmern, etwa Kiezdach e.V., streiken vermutlich.

Daneben ärgert es die Vereinsmitarbeiter, daß sich das Interesse der Polizei in Grenzen hält: Ein am Freitag herbeitelefonierter Streifenwagen nahm zwar die Anzeige gegen Unbekannt auf. Die Kriminalpolizei jedoch, von der Streifenwagenbesatzung angerufen, kam bis heute nicht. Sie teilte dem Verein gestern mit, man habe noch „keinen Vorgang angelegt“, außerdem sei der zuständige Experte nicht da. Von der Polizei war gestern keine Stellungnahme mehr zu erhalten. Dieser Anschlag auf einen der Läden des Vereins, in dem sich zu diesem Zeitpunkt zum Glück niemand aufhielt, war nicht der erste. Seit dem letzten halben Jahr haben sich handfeste Aktionen gehäuft: Schaufensterscheiben wurden mehrmals eingeworfen, der Vereinsladen in der Cuvrystraße war überfallen worden, Mieterakten geklaut worden. Dagegen erstattete der Verein jedoch keine Anzeige, der Vorstand entschied dagegen. Auch das Büro der Stadterneuerungsgesellschaft S.T.E.R.N. wurde besetzt, in das der BeWoGe eingebrochen.

Einer türkischen Mieterberaterin wurden die Autofenster eingeworfen, sie selbst wurde bedroht. Nachdem die taz darüber berichtet hatte, seien alle Leute, die in dem taz -Artikel erwähnt worden sind, auf der Straße angepöbelt worden, erzählte ein Mieterberater.

Ob der Anschlag vom Freitag aus der gleichen Ecke kommt, ist trotzdem fraglich. „Wir haben auch von einer türkischen Jugendbande gehört, die in der Gegend herumballert“ meinte eine Vereinsmitarbeiterin. Und der Laden in der Wrangelstraße biete ja auch eine ideale Zielscheibe. Auch ausländerfeindliche Anschläge hat es in SO36 schon gegeben. „Aber mich interessiert es nicht mehr, welche politische Haltung diese Leute von sich zu haben glauben“, sagt ein Mitarbeiter. Der Verein plante schon seit längerem einen Aktionstag gegen Gewalt im Kiez für den 14.Februar. Denn den zu erwartenden „heißen 1.Mai“ wolle man verhindern. Solange werde man nun jedoch nicht mehr warten, sondern sofort etwas unternehmen.

esch